Finsteres Verlangen
grausam.«
»Eigentlich bin ich stark und pragmatisch, nicht grausam.« Vor ihm angekommen, wurde mir klar, dass ich nicht wagen durfte, einen der Beteiligten anzufassen, weder Richard noch die Brüder. Sonst würde Gewalt ausbrechen. Das spürte ich deutlich.
Stephen wimmerte, als würde er lebendig gefressen. Er versuchte verzweifelt, Gregory festzuhalten, während sein Bruder weinend nach ihm griff.
»Wenn ich es pragmatisch ausdrücken soll: Du lässt uns vor einem Mitglied des Vampirrats schwach erscheinen. Grausam ausgedrückt: Ich bin Bölverkr, weil du nicht den Mumm hast, es zu sein.«
Er hörte auf, an den Brüdern zu zerren, und Jamil nutzte den Augenblick des Zögerns und stahl sich davon. So stand ich Richard allein gegenüber. Es war einer dieser Momente, wo mir deutlich wurde, dass er allein physisch furchteinflößend war. Er gehörte zu den Männern, die erst gar nicht so groß wirken, bis sie es einen merken lassen. Dann erschrickt man, und meistens ist es schon zu spät.
Wir blickten einander zornig an. Ich war erst wütend geworden, als er Stephen und Gregory trennen wollte. Aber wenn ich einmal wütend bin, bleibe ich meistens dabei. Ich genieße meinen Zorn. Ist mein einziges Hobby.
Mir schossen tausend grausame Bemerkungen durch den Kopf, aber ich hielt den Mund. Ich fürchtete zu sehr, was herauskäme, wenn ich ihn aufmachte. Ich trat näher an Richard heran und bekam in seinen Augen noch etwas anderes als Wut zu sehen: Panik. Er fürchtete meine Nähe. Klasse.
Ich nahm darauf keine Rücksicht, und Richard wich tatsächlich einen Schritt zurück, dann merkte er, was er getan hatte. Als ich mich erneut näherte, blieb er stehen. Ich näherte mich, bis mein Rocksaum die blanken Spitzen seiner Schuhe streifte. Eine freundschaftliche Berührung wäre natürlicher gewesen, als einfach nur mit hängenden Armen dazustehen.
Mein Blick wanderte an ihm hinauf bis zu seinen Augen, ein wissender Blick, der jeden Quadratzentimeter unter diesem Smoking kannte.
Doch Richard sah mir nicht ins Gesicht, er starrte auf mein Dekolleté. Ich atmete tief ein und aus, sodass sich die Hügel meiner Brüste hoben und senkten.
Er sah auf und begegnete meinem Blick. Mit purem Zorn. Einem Zorn ohne Zweck, ohne Sinn. Er wütete wie ein riesiger Flächenbrand, der sinnlos vernichtet, bis nichts mehr da ist.
Ich hielt ihm meinen eigenen Zorn entgegen. Seiner war neu und frisch, hatte sich noch nicht bis in die Seele gebrannt, um dort einen Hohlraum zu schaffen, in dem er ganz allein hausen konnte. Meiner war alt, ich hatte ihn solange ich denken konnte. Wenn Richard streiten wollte, konnte er das haben. Wenn er ficken wollte, konnte er das ebenfalls haben. In diesem Moment würde beides gleichermaßen verletzend werden. Für uns beide.
Sein Tier erhob sich wie ein Hund auf die Stimme seines Herrn. Jede starke Gefühlsregung konnte den Gestaltwandel auslösen, und diese war eine seiner stärksten.
Die Energie seines Tieres stieg flimmernd auf wie die Sommerhitze über dem Asphalt, eine sichtbare Woge seiner Macht, und griff auf mich über. Früher einmal hatte er mich zum Orgasmus gebracht, nur indem er sein Tier in meinen Körper warf. Aber heute Abend würden wir andere Dinge tun, die bestimmt nicht so schön waren.
Musette glitt in ihrem blutbesudelten Kleid auf uns zu. Ihre Augen waren wieder blau. Sie griff zwischen uns in Richards flimmernde Energie und spielte damit, ohne uns selbst zu berühren. »Ach, ihr würdet mir beide schmecken, très bon, très très bon.« Sie lachte. Es war das Lachen, mit dem man in einer Bar sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es passte nur nicht zu dem Blut, das auf ihrem Gesicht getrocknet war und wie eine Maske aussah.
Richard richtete seinen wütenden Blick auf sie. Ich glaube, jeder andere wäre davor zurückgeschreckt, aber Musette lachte nur.
Richard drehte sich zu ihr. Ihm war wirklich gleichgültig, an wem er seine Wut ausließ. Jeder war ihm recht. »Das geht dich nichts an. Wenn wir fertig sind mit den Angelegenheiten des Rudels, werden wir mit den Vampiren sprechen, und keinen Augenblick früher.«
Musette warf den Kopf in den Nacken und wieherte vor Lachen, anders kann man es nicht nennen. Sie lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen und in dem angetrockneten Blut Streifen zogen. Allmählich verebbte das Lachen, und als sie uns wieder ansah, waren ihre Augen honigbraun.
Richard stockte der Atem. Ich stand nah genug, um es zu
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