Finsteres Verlangen
Vergnügen, Meister.«
Normalerweise ließ sich Jean-Claude von seinen Vampiren nicht mit Meister anreden, aber heute Nacht war Förmlichkeit angebracht. Wir wollten Leute beeindrucken, die seit Jahrhunderten nichts und niemand beeindruckt hatte.
Asher trat vor, um den Vorhang beiseite zu ziehen, und Jason tat das Gleiche auf der anderen Seite, damit wir eintreten konnten. Es hat seine Gründe, weshalb Vorhänge an Türen aus der Mode gekommen sind.
Einen Nachteil hat es allerdings, wenn man an jedem Arm einen attraktiven Vampir hat: Man kommt nicht so schnell an seine Waffe heran. Klar, wenn ich schon beim Reinkommen die Pistole ziehen müsste, dann ginge in dieser Nacht sowieso alles den Bach runter. Und selbst wenn wir überlebten, sähe es in der nächsten sicher anders aus.
7
M usette stand am Kamin. Es musste Musette sein, denn sie war die einzige blonde Barbie im Raum, und als solche hatte Jason sie beschrieben. Man konnte Jason einiges vorwerfen, aber nicht, dass er Frauen unzutreffend beschrieb.
Sie war allerdings klein, noch kleiner als ich, vielleicht eins zweiundfünfzig, und wenn sie unter dem langen weißen Kleid hohe Absätze trug, war sie sogar winzig. Die blonden Haare fielen ihr wellig um die Schultern, doch ihre Brauen waren schwarz und perfekt geschwungen. Entweder das eine oder das andere war gefärbt, oder sie war einer der seltenen Fälle, wo Haupt- und Körperbehaarung nicht gleich waren. Das gab es, aber nicht oft. Unter den dunklen Brauen und Wimpern hatte sie himmelblaue Augen. Sie wirkten ein bisschen blauer als Jasons. Vielleicht durch die dunklen Wimpern.
Sie lächelte mit einem Rosenknospenmund, der kräftig rot war. Es musste Lippenstift sein. Und damit war klar, dass sie noch mehr Make-up trug. Sie war gut geschminkt, dezent, doch mit ein paar Tricks, die eine entwaffnende, fast kindliche Schönheit erzeugten.
Ihr Pomme de sang kniete brav zu ihren Füßen. Es war ein Mädchen mit langen braunen Haaren, die zu einer kunstvollen Lockenfrisur aufgetürmt waren. Die Kleine sah damit noch jünger aus, als sie war. Sie hatte nicht die Blässe eines Vampirs, aber sehr helle Haut, und das eisblaue, altmodische Kleid sorgte ebenfalls nicht für Farbe. Ihr schlanker Hals war glatt und unberührt. Wenn Musette an ihr saugte, wo tat sie es? Wollte ich das wissen? Eigentlich nicht.
Zwischen dem Kamin und der langen weißen, mit goldenen und silbernen Kissen überladenen Couch stand ein Mann. Er war in jeder Hinsicht das Gegenteil von Musette: eins fünfundachtzig groß und Schwimmerstatur, das heißt, breite Schultern, schmale Hüften und Beine, die länger waren als ich im Ganzen. Seine Haare waren schwarz, so tiefschwarz, dass sie bläulich schimmerten. Er trug sie als dicken Zopf, der ihm auf den Rücken hinunterhing. Seine Haut war recht dunkel, obwohl sie sicher jahrhundertelang wenig Sonne gesehen hatte. Bestimmt wurde er mühelos braun. Er hatte nur nicht viel Gelegenheit dazu gehabt. Seine Augen waren türkisfarben, wie das Meer der Karibik. In dem dunklen Gesicht wirkten sie aufregend und hätten einnehmend und schön sein können, wäre da nicht die Kälte in ihnen gewesen. Und auch sein saurer Gesichtsausdruck nahm ihm jede Attraktivität. Er sah aus, als wäre er ständig schlechter Laune.
Vielleicht lag es an den Klamotten. Er sah aus, als wäre er aus einem alten Ölgemälde herausgetreten. Ich wäre auch schlecht gelaunt, wenn ich immerzu in Strumpfhosen herumlaufen müsste.
Ich hatte zwar an jedem Arm einen Mann, doch es war Jean-Claude, der die Regie führte und uns zwischen den beiden Polstersesseln, einem goldenen und einem silbernen, hindurch geleitete. Vor dem weißen Couchtisch, auf dem eine Kristallschale mit weißen und gelben Nelken stand, blieb er stehen. Damian wurde augenblicklich reglos. Jason ließ sich graziös in den goldenen Sessel sinken, der dem Kamin näher stand. Asher stellte sich neben den silbernen Sessel, wo er zu Musette den größten Abstand haben konnte, ohne dafür den Raum verlassen zu müssen.
Musette sagte etwas auf Französisch. Jean-Claude antwortete auf Französisch, und ich verstand es sogar. Er informierte sie, dass ich kein Französisch sprach. Sie sagte noch etwas, das ich überhaupt nicht verstand, dann wechselte sie ins Englische. Die meisten Vampire, zumindest die in Amerika, sprachen akzentfrei, aber Musettes Akzent war der Hammer. Sobald sie schneller spräche, würde ich selbst ihr Englisch nicht mehr verstehen.
»Damian,
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