Finsteres Verlangen
erklärtest.«
Asher trat näher, aber nur so weit, wie es unbedingt nötig war. Trotzdem war es tapfer von ihm, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Vorhin habe ich Anita begreiflich machen wollen, was man einem Lehnsherrn schuldet, und sie konnte es auch nicht verstehen. Sie ist jung und Amerikanerin. Hier ist man … nie in den Genuss solcher Herrschaft gekommen.«
Musette drehte den Kopf wie ein Vogel, der einen Wurm beäugt, bevor er zuschnappt. »Und was hat ihr mangelndes Verständnis zivilisierten Lebens mit meiner Frage zu tun?«
Ein Mensch hätte sich vielleicht nervös über die Lippen geleckt, aber Asher wurde starr. (Verhalte dich ganz still, dann wird dich der Fuchs nicht bemerken.) »Du, schöne Musette, warst immer Untertan eines Adligen oder warst selbst Gebieterin über andere. Die Pflichten gegenüber dem Lehnsherrn kennst du schon dein Leben lang.«
»Oui?« Es klang so kalt, als wollte sie sagen: Nur zu, schaufle dein Grab noch ein Stück tiefer.
»Dir wäre nie im Traum eingefallen, dass das Leben eines Bauern, der niemandem verpflichtet ist, eine befreiende Erfahrung sein könnte.«
Sie machte eine wegwerfende Bewegung mit ihrer sorgfältig manikürten Hand, als wäre die Idee damit aus der Welt geschafft. »Absurd. Befreiende Erfahrung – was soll das sein?«
»Du verstehst es nicht«, sagte Jean-Claude, »und gerade darauf wollte Asher hinaus.«
Sie blickte nun beide mit zusammengezogenen Brauen an. »Wenn ich es nicht verstehe, kann es nicht von Bedeutung sein.« Damit wischte sie das Thema beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit erneut auf mich. Und es war beängstigend. Ich hätte nicht sagen können, was an dem bloßen Blick dieser Augen so verstörend war, doch er ließ mir das Mark in den Knochen gefrieren.
»Hast du unser Geschenk an Jean-Claude und Asher gesehen?«
Wahrscheinlich sah ich so verwirrt aus, wie ich war, denn sie drehte sich zur Seite und deutete nach hinten. Doch ich sah nichts weiter als ihren hünenhaften Diener. »Angelito, geh zur Seite, damit sie es sehen kann.« Angelito? Engelchen? Schien mir nicht sonderlich gut zu passen. Er gehorchte, und Musette zeigte hinter sich zum Kamin.
Da war nur der Kamin mit dem Gemälde darüber. Dann sprang es mir ins Auge. Normalerweise sah man dort Jean-Claude, Asher und Julianna gekleidet wie zur Zeit der drei Musketiere. Jetzt hing dort ein anderes Bild. Wäre der befremdliche Besuch nicht gewesen, wäre es mir sofort aufgefallen. Ja, das wäre es ganz bestimmt.
Über dem Kamin hingen nun Cupido und Psyche, jene traditionelle Szene, wo der schlafende Cupido von Psyche entblößt wird. Der Valentinstag hat Cupido heute bis zur Unkenntlichkeit verändert. Tatsächlich war er kein pausbäckiger, geschlechtsloser Säugling mit Flügelchen, sondern ein echter Gott, ein Liebesgott.
Ich sah auch, wer für ihn Modell gestanden hatte, denn kein anderer hatte solche goldenen Haare und einen so langen, makellosen Körper. Ich hatte Erinnerungen an Asher, wie er damals gewesen war, doch ich hatte ihn nicht mit eigenen Augen so gesehen. Ich ging auf das Gemälde zu, unwiderstehlich angezogen wie die Blume von der Sonne.
Asher lag auf der Seite, eine Hand ruhte an seinem Bauch, der andere Arm war lang ausgestreckt. Seine Haut schimmerte golden im Schein von Psyches Kerze, nur wenige Töne heller als der wellige Haarkranz um Gesicht und Schultern.
Er war nackt, doch das Wort wurde dem nicht gerecht. Der Kerzenschein verlieh ihm einen warmen Glanz von den breiten Schultern bis zum Spann der Füße. Auf der schwellenden Brust bildeten die Brustwarzen zwei dunkle Halos. Der Bauch war flach bis auf den Nabel, der wirkte, als hätte ein Engel seine Haut berührt und einen kleinen Abdruck hinterlassen. Eine dunkelgoldene Haarlinie verlief vom Rand des Bauches nach unten zu den Locken, wo er, zwischen Schlaf und Leidenschaft halb erigiert, für immer festgehalten war. Die Wölbung der Hüfte war das schönste Stück Haut, das ich je gesehen hatte, und sie lenkte den Blick hinunter zu den langen Beinen.
Aus Jean-Claudes Gedächtnis wusste ich, wie sich diese Hüfte unter den Fingerspitzen anfühlte. Ich erinnerte mich an einen Disput, wessen Hüften weicher und makelloser waren. Belle Morte hatte gemeint, dass beide Männer einen nahezu vollkommenen Körper besäßen. Jean-Claude hatte immer Asher für den schöneren gehalten und umgekehrt.
Der Maler hatte dem Schlafenden weiße Flügel gegeben, die so lebensecht aussahen, dass
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