Finsteres Verlangen
es ist lange her, seit du unseren Hof mit deiner Anwesenheit beehrt hast.«
»Meine alte Herrin hatte für das höfische Leben nichts übrig.«
»Sie ist sonderbar, deine Morvoren.«
Damian fuhr vor dem Namen zurück, als wäre er geschlagen worden. Ich streichelte seine Hand wie bei einem verängstigten Kind.
»Morvoren ist mächtig. Sie könnte sich um einen Sitz im Rat bewerben. Ihr ist sogar der Platz des verblichenen Erdrüttlers angeboten worden. Sie hätte nicht einmal dafür kämpfen müssen. Es war ein Geschenk.« Musette beobachtete Damians Mimik und seine Körpersprache. »Was meinst du, warum sie solch eine Großzügigkeit ausgeschlagen hat?«
Damian schluckte, holte bebend Luft. »Wie gesagt«, er musste sich räuspern, um weitersprechen zu können, »sie machte sich nichts aus dem Leben bei Hof. Sie zieht ihre Einsamkeit vor.«
»Aber es ist doch verrückt, einen Sitz im Rat abzulehnen, wenn er einem in den Schoß fällt. Warum tut Morvoren so etwas?«
Jedes Mal zuckte Damian bei dem Namen zusammen. »Damian hat deine Frage bereits beantwortet«, sagte ich. »Seine alte Herrin liebt die Zurückgezogenheit.«
Musette wandte mir ihre blauen Augen zu, und angesichts ihrer unverhohlenen Unfreundlichkeit wünschte ich, ich hätte mich nicht eingemischt.
»So, das ist also die Neue.« Sie kam auf uns zu und schwenkte dabei die Hüften. Also trug sie hohe Absätze. Ohne kann man nicht derartig stolzieren.
Der große, einschüchternde Mann begleitete sie wie ein Schatten. Das Mädchen blieb vor dem Kamin sitzen, den hellblauen Rock um sich ausgebreitet, die Hände still im Schoß, als sei sie eigens so arrangiert und angewiesen worden, genau so sitzen zu bleiben. Und sie würde es tun, bis Musette ihr befahl, sich zu rühren. Widerlich.
»Darf ich vorstellen, Anita Blake, mein menschlicher Diener, der erste, den ich mir je genommen habe. Und mein einziger.« Jean-Claude gab meiner Hand einen Schwung, der mich vom Sofatisch und zufällig auch von Musette wegdrehte. Es war wie eine Tanzfigur, bei der ich am Ende vielleicht zu knicksen hatte. Damian folgte der Bewegung, was den Eindruck der Tanzfigur noch unterstrich. Die Vampire verneigten sich, und mir blieb zwischen ihnen nichts anderes übrig, als es ihnen gleich zu tun. Scheinbar gab es mehr als einen Grund, weshalb sie mich in die Mitte genommen hatten.
Musette schaukelte auf uns zu, dass ihr weißer Rock hin und her fegte. »Aber da gab es noch diese, du weißt, wen ich meine, Ashers Dienerin, wie hieß sie doch noch?« Ihren blauen Augen war klar anzusehen, dass sie sich an den Namen verdammt gut erinnerte.
»Julianna«, sagte Jean-Claude so neutral wie möglich. Doch weder Asher noch er konnte den Namen emotionslos aussprechen.
»Ach ja, Julianna. Ein hübscher Name für eine so gewöhnliche Frau.« Sie stand vor uns, hinter ihr der große Finsterling, der allein durch seine Größe einschüchterte. Er musste doch eher zwei Meter groß sein. »Wie kommt es, dass ihr beide euch immer so ordinäre Frauen wählt? Es muss wohl etwas Tröstendes an dieser drallen Bauernrasse sein.«
Ich lachte, ehe ich mich bremsen konnte. Jean-Claude drückte meine Hand. Damian wurde sehr still.
Musette hatte es nicht gern, wenn man ihr ins Gesicht lachte, das sah man deutlich. »Du lachst, Mädchen? Warum?«
Jean-Claude drückte noch fester zu, sodass es beinahe wehtat. »Verzeihung«, antwortete ich, »aber für mich ist es nicht beleidigend, als bäuerisch bezeichnet zu werden.«
»Warum nicht?«, fragte sie und schaute ehrlich verwirrt.
»Weil du recht hast. Soweit es sich zurückverfolgen lässt, gibt es in meiner Familie nur Soldaten und Bauern. Ich bin guter bäuerlicher Abstammung und stolz darauf.«
»Wie kann man auf so etwas stolz sein?«
»Weil alles, was wir besitzen, mit unserer Hände Arbeit erschaffen wurde, im Schweiße unseres Angesichts sozusagen. Wir haben für alles arbeiten müssen. Uns wurde nie etwas geschenkt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie.
»Und ich weiß nicht, ob ich es dir erklären kann«, erwiderte ich. Es war ungefähr so schwierig wie Ashers Versuch, mir die Bindung an einen Lehnsherrn verständlich zu machen. In meinem Leben gab es nichts, das mir solch eine Bindung erklären könnte. Das sagte ich aber nicht laut, um nicht die Idee aufkommen zu lassen, ich könnte Belle Morte etwas schuldig sein. Das war für mich völlig abwegig.
»Ich bin nicht dumm, Anita. Ich würde es verstehen, wenn du es mir gut
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