Finsteres Verlangen
keinerlei Wut oder Stolz duldete. Nur ihr Wille zählte. Damian hat lernen müssen, sich entsprechend zu verhalten, sonst hätte sie ihn vernichtet.«
Damians Hände lagen reglos auf meinen Schultern. Ich tätschelte eine, wie man es bei einem Freund tut, der eine schlechte Nachricht erhalten hat. »Alles ist gut, Damian, sie kann dir nichts tun.«
»Nein, Jean-Claude hat ihr meine Freiheit abgerungen, und ich stehe tief in seiner Schuld. Doch das hat nichts mit Bluteiden oder sonstigen Bindungen unter Vampiren zu tun. Ich bin ihm verpflichtet, weil er mich aus einer schrecklichen Sklaverei befreit hat.«
»Wenn du verhinderst, dass Anita heute Nacht etwas Furchtbares tut, dann hast du einen Teil dieser Schuld beglichen«, sagte Asher.
Ich spürte Damians Nicken. »Dann lasst uns nach unten gehen«, sagte er, »denn ich kenne Musette von früher und fürchte sie nicht so sehr wie meine Schöpferin.«
Ich drehte den Kopf, um sein Gesicht zu sehen. »Ist das wirklich wahr?«
Kurz schien er zu überlegen, dann nickte er langsam. »Ich fürchte meine alte Herrin mehr, ja, aber Musette fürchte ich auch.«
»Alle fürchten sie«, sagte Asher.
Ich schüttelte an Damians Brust gelehnt den Kopf, was meine Haare in Unordnung brachte, aber das war mir egal. »Mann, lasst mich sie doch einfach erschießen, und das Problem ist gelöst. Ich hab recht damit, ihr wisst, dass ich recht habe.«
Damian hob mein Kinn, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. »Wenn du Musette tötest, wird Belle Morte Jean-Claude töten.«
»Und was, wenn Musette etwas wirklich Schreckliches tut?«
Damian sah über mich hinweg zu Asher. Ich drehte mich, sodass ich ihren Blickwechsel sehen konnte. Schließlich sagte Asher: »Ich möchte gewiss nicht behaupten, dass wir Musette unter gar keinen Umständen töten dürfen, denn es könnte der Moment kommen, wo sie uns keine andere Wahl lässt. Ich will auch nicht, dass du dich dann durch Zögern in Gefahr bringst. Doch ich bin mir sicher, Musette beherrscht das diplomatische Spiel sehr gut und wird dir keinen entsprechenden Vorwand liefern.«
Ich seufzte.
»Wenn ihr Anita nicht Handschellen anlegt, wird sie Musettes kleine Show nicht überstehen«, sagte Jason.
»Das wird wohl nicht nötig sein«, sagte Asher, »oder, Anita?«
Ich runzelte die Stirn. »Woher soll ich das wissen? Davon abgesehen habe ich gerade keine Handschellen dabei.«
Jason zog ein Paar aus der Jackentasche. »Ich kann dir welche borgen.«
Ich zog die Brauen noch mehr zusammen. »Wieso trägst du Handschellen mit dir herum?« Ich hob abwehrend die Hand. »Warte, ich will es gar nicht wissen.«
Er grinste mich an. »Ich bin ein Stripper, Anita, ich hab alle möglichen Requisiten.«
Einerseits war es gut zu wissen, dass er sie nicht für sein privates Liebesleben dabei hatte. Andererseits war fraglich, ob sie als Teil seines Berufslebens wirklich so viel besser waren. Was für Shows führten sie neuerdings im Guilty Pleasures auf? Nein, stopp, das wollte ich genauso wenig wissen.
Wir marschierten zur Hintertür des Zirkus. Ohne Jasons Handschellen einzusetzen. Doch ich ging tatsächlich Händchen haltend mit Damian die Treppe hinunter. Die Liste der Leute, mit denen ich das erregend gefunden hätte, wuchs zwar beständig, doch Damian stand leider, leider nicht darauf.
6
T ief unter dem Zirkus gab es ganze Fluchten von Räumen. Sie waren von jeher das Heim des Meisters von St. Louis gewesen, wer immer es gerade war. Nur das große Lagerhaus über der Erde war mit der Zeit verändert worden. Jean-Claude hatte nun auch den unterirdischen Teil modernisiert, aber nur mittels Raumdekoration. Davon abgesehen zierten die Räume wie gehabt Mauerstein und Fackeln.
Um das Ambiente etwas wohnlicher zu gestalten, hatte Jean-Claude in seinem Wohnraum eine Art Zelt aus hauchdünnen Vorhängen errichtet. Von außen war es weiß, aber wenn man die äußeren beiden Stoffbahnen teilte, blickte man auf »Wände« in Silber, Gold und Weiß. Jason griff gerade nach der Vorhanglücke, als Jean-Claude sich hindurchschob. Den Finger auf den Lippen winkte er uns alle ein Stück weg, und ich schluckte meine Begrüßung hinunter.
Er trug hautenge Lederhosen und Stiefel, die bis zur Oberschenkelmitte reichten, sodass nicht gleich zu erkennen war, wo die Hose aufhörte und die Stiefel anfingen. Dazu trug er eines seiner üblichen Hemden aus der Zeit um Siebzehnhundert mit massenhaft Rüschen an Ärmeln und Brust. Doch die Farbe dieser üppigen
Weitere Kostenlose Bücher