Finsteres Verlangen
aber wie auch immer, er bot mir die Friedenspfeife an, und ich war gewillt, sie anzunehmen.
»Ich werde Micah fragen, wie es in unserem Terminkalender aussieht.«
Kurz sah er zu Jason und grinste. Sein Grinsen war Jasons so ähnlich, dass ich mich fragte, wie Zerbrowski wohl auf dem College gewesen war, als er Katie kennengelernt hatte. »Es sei denn, Sie haben den Kerl gewechselt?«
»Nein«, sagte ich. »Jason ist nur ein guter Freund.«
»Diese Bezeichnung«, Jason griff sich ans Herz, ohne meine Hand loszulassen, »sie trifft mich jedes Mal tief.«
»Ja, ich versuche auch schon seit Jahren, mit ihr was anzufangen. Sie will sich einfach nicht darauf einlassen.«
»Das kenne ich«, sagte Jason.
»Hört auf damit, sofort«, sagte ich.
Sie lachten schallend und klangen erschütternd ähnlich. »Ich weiß ja, dass Sie das Recht haben, ihn zum Deputy zu machen, aber ich weiß auch, was Mr Schuyler hier ist und wo er die meiste Zeit wohnt.« Zerbrowski neigte sich so dicht heran, dass es kein anderer hören konnte. »Dolph würde mich umbringen, wenn ich ihn an den Tatort lasse.«
»Fangen Sie mich auf, wenn ich ohnmächtig werde, dann kann er draußen bleiben.«
»Ohnmächtig? Das soll ein Witz sein, oder?«
»Schön wär’s.« Ich hielt mich inzwischen mit beiden Händen an Jasons Arm fest, um auf meinen hohen Absätzen nicht zu schwanken.
»Dolph hat erwähnt, dass es Ihnen schlecht geht. Wusste er, wie schlecht?«
»Es schien ihm egal zu sein. Er wollte nur, dass ich herkomme.«
Zerbrowski runzelte die Stirn. »Hätte er gewusst, dass Sie so wacklig auf den Beinen sind, hätte er nicht darauf bestanden.«
»Nett, dass Sie das denken«, sagte ich und spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Ich musste mich dringend hinsetzen.
»Ich würde ja fragen, ob’s eine Erkältung ist, aber ich sehe den Verband an Ihrem Hals. Wer war das?«
»Ein Vampir.«
»Wollen Sie Anzeige erstatten?«
»Die Sache ist schon erledigt.«
»Sie haben ihn kaltgemacht?«
Ich blickte ihn durch meine dunklen Gläser an. »Ich muss mich wirklich mal für ein paar Minuten setzen, Zerbrowski, und Sie wissen, ich würde das nicht sagen, wenn es nicht wirklich nötig wäre.«
Er bot mir seinen Arm. »Ich werde Sie herumführen, aber Schuyler kann nicht mitkommen.« Er sah Jason an. »Tut mir leid.«
Jason zuckte die Achseln. »Ist in Ordnung. Ich kann mich gut allein amüsieren.«
»Benimm dich«, sagte ich.
Er grinste. »Tue ich das nicht immer?«
Normalerweise hätte ich ihm ein genaues Versprechen abgenommen, aber ich hatte gerade noch die Kraft, ins Haus zu gehen und mich hinzusetzen, bevor meine Knie nachgaben. Ich lieferte also die Polizisten und Sanitäter Jasons Gnade aus. Er würde nichts Schlimmes anstellen, nur allen auf die Nerven gehen.
Auf den Verandastufen stolperte ich. Wenn Zerbrowski mich nicht gestützt hätte, wäre ich hingefallen.
»Himmel, Anita, Sie gehören ins Bett.«
»Das habe ich Dolph auch gesagt.«
Er bugsierte mich durch die Tür und fand im Flur einen Stuhl für mich. »Ich werde ihm sagen, wie schlecht es Ihnen geht, und lasse Sie von dem Jungen nach Hause fahren.«
»Nein«, sagte ich, obwohl ich die Stirn auf meine Knie legte, weil sich alles drehte.
»Mann, Anita, Sie sind genauso stur wie er. Dolph kann kein Nein akzeptieren, und Sie schleppen sich vom Krankenlager hierher. Ich biete Ihnen eine Auszeit an und nehme Dolphs Unwillen auf mich, aber nein, Sie wollen ihm zeigen, dass sie genauso dickköpfig sind wie er. Wollen Sie ihm ohnmächtig in die Arme sinken? Das könnte ihn überzeugen.«
»Quatschen Sie nicht, Zerbrowski.«
»Na schön, bleiben Sie ein Weilchen hier sitzen. Ich komme gleich wieder und sehe nach Ihnen. Dann zeige ich Ihnen den Tatort. Aber Sie sind wirklich dumm.«
Ich antwortete mit dem Gesicht im Schoß. »Wenn Dolph krank wäre, wäre er auch hier.«
»Das beweist nicht, dass es klug ist, Anita. Das beweist nur, dass Sie beide dumm sind.« Damit ging er weiter ins Haus. Das war mir sehr recht, denn ich hätte ihm nicht einmal mehr widersprechen können.
18
A ls Zerbrowski mich in den Raum führte, dachte ich: Da schwebt ein Mann vor der Wand. Es sah wirklich aus, als ob er dort schwebte. Das konnte natürlich nicht sein, aber mein Verstand deutete den Anblick so. Dann sah ich die dunklen Spuren an dem Toten: eingetrocknetes Blut. Beim ersten Hinsehen meinte man, er habe etliche Kugeln abbekommen und stark geblutet, doch Kugeln hätten ihn kaum
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