Finsteres Verlangen
mich nicht auskenne, da habe ich nun mal keine Ahnung. Bei einem Verbrechen ohne Monster bin ich für jede Ermittlung nutzlos.
Ich stand mit gezücktem Dienstausweis an der offenen Wagentür, als der Polizist herantrat. Er musterte mich wie viele Männer von unten nach oben, von den Schuhen bis zum Gesicht, in der Reihenfolge. Ein Mann, der bei mir mit den Füßen anfängt, hat kaum noch eine Chance mich zu beeindrucken.
Ich las sein Namensschild. »Officer Jenkins, ich bin Anita Blake. Lieutenant Storr erwartet mich.«
»Storr ist nicht da«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
Großartig. Mein Name sagte ihm nichts – so viel zu meiner angeblichen Berühmtheit. Und er wollte keinen fremden Bundesmarshal mitspielen lassen.
Jason war ebenfalls ausgestiegen. Vielleicht sah ich in meinem verknitterten Kostüm und mit der Laufmasche im Strumpf ein bisschen schäbig aus, aber Jason wirkte erst recht nicht wie ein Bulle. Er trug seine übliche verwaschene Jeans, ein blaues T-Shirt und weiße Joggingschuhe. Es war einer dieser milden Herbsttage, die es bei uns manchmal gibt, und zu warm für seine Lederjacke. Die Mulltupfer und Pflaster an seinen Unterarmen waren nicht zu übersehen.
Er lehnte freundlich lächelnd an der Motorhaube und sah nicht im Geringsten nach einem Bundesbeamten aus.
Officer Jenkins Blick huschte zu Jason und zurück zu mir. »Wir haben das FBI nicht gerufen.«
Während ich auf meinen Acht-Zentimeter-Absätzen auf der holprigen Straße stand, wurde mir wieder leicht schwindlig, und ich hatte nicht die Geduld oder die Kraft, mich zu zanken.
»Officer Jenkins, ich bin ein Bundesmarshal. Wissen Sie, was das heißt?«
»Nö«, sagte er und dehnte das Wort mehr als nötig.
»Das heißt, dass ich Ihre Erlaubnis nicht brauche, um den Tatort betreten zu können. Ich brauche niemandes Erlaubnis. Es spielt also keine Rolle, ob der Lieutenant da ist oder nicht. Ich habe Ihnen nur aus Höflichkeit mitgeteilt, wer mich hergerufen hat. Aber wenn Sie darauf keinen Wert legen, Officer, geht es auch ohne.«
Ich drehte mich nach Jason um. Normalerweise hätte ich ihn beim Wagen gelassen, aber ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob ich es den Hang hinauf schaffen würde, ohne umzukippen. Eigentlich fühlte ich mich nicht gut genug, um schon zu arbeiten. Aber nun war ich einmal da und würde mir den Tatort auch ansehen.
Ich winkte Jason heran. Er kam, und sein Lächeln verblasste. Vielleicht sah ich so schwach aus, wie ich mich fühlte.
»Gehen wir.«
»Er ist kein Kollege«, sagte Jenkins.
Mir reichte es. Wäre es mir besser gegangen, wäre ich grob geworden, aber … es gab andere Mittel, um sich durchzusetzen.
Ich wartete, bis ich mich auf Jasons Arm stützen konnte, dann schob ich meine Haare beiseite, wo der Halsverband war. Ich hob eine Mullecke an, sodass Jenkins die Bisswunde sehen konnte. Sie bestand nicht aus zwei sauberen Löchern, sondern die Wundränder waren ausgefranst. Asher hatte sich nicht mehr im Griff gehabt.
»Iiiiih«, sagte Jenkins.
Ich ließ mir von Jason das Pflaster wieder andrücken, während ich mit Jenkins redete. »Ich habe eine harte Nacht hinter mir, Officer Jenkins, und ich bin befugt, jeden Tatort eines übernatürlichen Verbrechens zu betreten, den ich sehen möchte.«
Das Pflaster saß wieder, und Jason stand sehr nah bei mir, als spürte er, wie wacklig ich auf den Beinen war. Jenkins schien davon nichts zu bemerken.
»Die Tat wurde nicht von Vampiren begangen«, sagte Jenkins.
»Spreche ich kein Englisch, Jenkins? Habe ich gesagt, es muss etwas mit Vampiren zu tun haben?«
»Nein, Sir, äh, ich meine … nein.«
»Dann bringen Sie uns entweder zum Tatort, Officer, oder treten Sie beiseite. Wir finden auch selbst hin.«
Der Anblick der Bisswunde hatte ihn umgehauen. Trotzdem wollte er keinen Fremden an seinen Tatort lassen. Wahrscheinlich hatte sein Boss was dagegen, doch das war nicht mein Problem. Ich hatte die Befugnis. Theoretisch hatte ich das Recht, den Tatort zu betreten. Praktisch jedoch konnte ich nichts dagegen tun, wenn mich die Ortspolizei nicht durchlassen wollte. Ich konnte mir eine richterliche Verfügung besorgen und die Sache erzwingen, aber das brauchte Zeit, und die hatte ich nicht. Dolph war bereits sauer auf mich. Ich wollte ihn nicht noch länger warten lassen.
Endlich ließ Jenkins uns durch. Wir stiegen den Hang hinauf. Auf halber Strecke musste ich mich auf Jasons Arm stützen. Mein oberstes Ziel war in dem
Weitere Kostenlose Bücher