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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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graugrüne, aber keine grasgrünen wie Micah.
    Sie saßen in einem Gesicht, das schön war, aber nach weiblichen Maßstäben. Es war zart. Das Kinn wirkte männlich und trotzdem sanft. Der Mund war breit, die Oberlippe schmaler als die Unterlippe, sodass er immer schmollend aussah.
    Ich wollte seine Lippen auf meinen spüren, über seine Haut streichen. Ich fühlte mich jedes Mal wieder neu zu ihm hingezogen, wie bei unserer ersten Begegnung, als wäre er ein lange vermisstes Stück von mir, das ich an mich drücken müsste, damit wir eines Tages wieder miteinander verschmelzen konnten.
    Er hatte nichts dagegen, als ich mich zu einem Kuss über ihn beugte, wandte nicht ein, ich sei doch krank und brauche Ruhe. Er kam mir entgegen und drückte den Mund auf meinen.
    Ihn zu küssen war wie atmen, etwas Unwillkürliches, das der Körper tut, damit er nicht stirbt. Es gab keinen Zweifel, dass ich Micah berühren wollte, keine Unschlüssigkeit wie bei allen anderen Männern in meinem Leben. Er war mein Nimir-Raj, und unser Zusammensein war vom ersten Augenblick an etwas Tieferes gewesen als eine Ehe, etwas Dauerhafteres als alles, was Worte oder Papiere verbindlich machen konnten.
    Ich schob die Arme um seinen Rücken, seine Schultern, genoss die glitschige Nässe auf seiner Haut, und unsere Tiere erwachten. Seine Energie strich wie ein heißer Atem über mich und schimmerte bei jeder Berührung auf. Mein Tier kam aus den Tiefen meines Körpers an die Oberfläche, und Micahs reagierte darauf. Sie bewegten sich in uns wie zwei Schwimmer, jagten einander nur durch unsere Haut getrennt hin und her. Dann hielt auch die Haut sie nicht mehr zurück. Sie strömten hindurch in den anderen Körper. Ich bog den Rücken, und Micah schrie auf. Unsere Tiere wanden und umschlangen sich, wie wir selbst es niemals könnten, tanzten, lösten und verbanden sich wieder, bis ich Micah den Rücken aufkratzte und er mir in die Schulter biss.
    Ich weiß nicht, ob der Schmerz, die Erregung, die Tiere oder alles zusammen es bewirkte, jedenfalls konnte ich plötzlich wieder klar denken. Plötzlich begriff ich, warum es mir den ganzen Tag so schlecht gegangen war.
    Ich spürte die lange metaphysische Fessel, die mich an Jean-Claude band, und sah ihn in seinem Bett unter dem Zirkus liegen mit Asher an seiner Seite. Auf seiner nackten Brust saß ein Schatten, ein schwarzer Schatten. Je länger ich hinsah, desto deutlicher wurde er, und schließlich erkannte ich eine hässliche Fratze, die mich anfauchte und aus lodernden, honigbraunen Augen ansah.
    Ich blickte auf den hungrigen Schatten von Belle Mortes Macht, der den ganzen Tag versuchte hatte, Jean-Claude die Kraft auszusaugen. Doch der ausfallsichere Schutzmechanismus eines Meistervampirs wirkte dagegen – sein menschlicher Diener und wahrscheinlich auch der Ruf nach seinem Tier. Richard hatte uns seine direkte Hilfe verweigert, und wahrscheinlich war es ihm den ganzen Tag genauso schlecht gegangen wie mir.
    Der Schatten fauchte mich an wie eine dämonische Katze. Ich beschloss, ihn dementsprechend anzugreifen. Ich schickte mein Tier an dem metaphysischen Band entlang. Ohne dass ich es gewollt hätte, sauste Micahs Katze hinterher. Gemeinsam rissen sie den Schatten in rauchige Fetzen, die durch die Mauer flüchteten.
    Ich fragte mich, wohin sie verschwanden, und die Antwort kam sofort. Ich sah den Schatten in dem Gästezimmer, das wir Musette gegeben hatten. Einen Moment lang saß er auf ihrer Brust, dann verschmolz er mit ihrem Körper. Kurz sah ich ihn unter ihrer toten Haut hin und her gleiten, dann regte sich nichts mehr.
    Ich hörte Angelito fragen: »Herrin, bist du da?«
    Dann spürte ich wieder das warme Badewasser und sah mich in Micahs Armen. »Was war das?«, fragte er mit heiserer Stimme.
    »Der Schatten war ein Stück von Belle Mortes Macht, das sie Musette mitgegeben hat.«
    »Es kam mir vor, als hätte er von Jean-Claudes Kraft zehren wollen.«
    »Das wollte er, aber ich bin sein menschlicher Diener, und der Angriff wurde auf mich abgelenkt. Sie hat den ganzen Tag an mir gesaugt.«
    »Hat Jean-Claude das mit Absicht getan?«, fragte er.
    »Nein, tagsüber ist er wirklich tot. Aber so ist die Beziehung zwischen Diener und Vampir angelegt. Hätte sie Jean-Claude aussaugen können, hätte sie sich auch die Energie seiner Vampire und aller, die durch Blutsbande an ihn gebunden sind, einverleibt.«
    »Stattdessen hat sie nur deine Kraft bekommen.«
    »Ja, und vermutlich auch Richards.

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