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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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einen Zipfel von Tammys Jacke über die Augen.
    »Sind Sie bereit?«, ertönte Perrys Stimme.
    »Gehen wir«, sagte Jason.
    Normalerweise hätte ich es als demütigend empfunden, mich wie eine welke Blume vom Tatort tragen zu lassen, aber ich brauchte schon meine ganze Konzentration, um das Schlottern einigermaßen zu unterdrücken und nicht in sämtliche Einzelteile zu zerfallen. Was war eigentlich los mit mir?
    Wir waren draußen und kamen ganz gut durch die Menge. Ich hörte genau, wie dicht wir an den Journalisten vorbeidrängten, die uns mit Fragen bombardierten. »Was ist mit Ihnen, Ms Blake?« – »Was ist ihr passiert?« – »Wer sind Sie?« – »Wo bringen Sie sie hin?« und so weiter und so fort. Sie verschwammen zu einem Stimmenmeer. Die Menge wogte um uns herum. Es gab einen Moment, wo sie sich wie eine Faust um uns schloss, aber Merlioni brüllte sofort: »Zurück, zurück, oder wir lassen das Gelände räumen!«
    Jason setzte mich in den Jeep und schnallte mich an. Ich hatte die Jacke noch über dem Gesicht und fand es beängstigend.
    »Mach die Augen zu«, sagte er.
    Hatte ich bereits, aber ich sagte nichts. Die Jacke wurde weggezogen, und die Sonne blendete mich durch die geschlossenen Lider. Ich bekam die Sonnenbrille aufgesetzt und öffnete vorsichtig die Augen. Besser.
    Vor dem Jeep bildeten Polizisten eine Gasse und drängten das Heer aus Journalisten zur Seite, damit wir wegfahren konnten. Jede Kamera war auf uns gerichtet. Auf die Bildunterschriften durfte man gespannt sein.
    Jason gab Gas und setzte mit quietschenden Reifen zurück. Er war schon auf die Straße geprescht, bis ich ihn zähneklappernd warnte: »Du wirst ein Knöllchen kriegen.«
    »Ich habe Micah angerufen. Er erwartet dich. Du kannst mit Nathaniel ein heißes Bad nehmen.«
    »Was?«
    »Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Anita, aber du zeigst Reaktionen wie ein schwer verletzter Gestaltwandler. Als wäre dein Körper mit der Heilung einer tiefen Wunde beschäftigt. Du brauchst Wärme und Körperkontakt mit dem Rudel.«
    »Ich … hab nicht …« Vor lauter Zähneklappern brachte ich keinen Satz zustande und beschränkte mich darum auf das Wichtigste: »Nicht verletzt.«
    »Ich weiß, dass du außer dem Vampirbiss nichts hast. Aber dann müsstest du dich heiß anfühlen, vom Heilungsprozess. Du dürftest gar nicht frieren.«
    Meine Ohren fingen an zu klingeln. Es hörte sich an wie ein permanentes Glockenspiel. Es übertönte sogar Jasons Stimme und den Motor und schließlich alles. Zum zweiten Mal in zwei Stunden fiel ich in Ohnmacht. Das war kein guter Tag für mich.

22
    I ch trieb in wunderbar warmem Wasser. Zwei Arme hielten mich, ein Männerkörper streifte mich. Ich machte die Augen auf und sah flackernde Kerzen. War ich wieder unter dem Zirkus? Dann entdeckte ich zwei Dinge, die mir verrieten, wo ich mich befand: helle Kacheln am Wannenrand und die Arme um meine Schultern, die mich näher an den Männerkörper zogen. Sowie ich mit dem Rücken an ihn geschmiegt lag, wusste ich, dass es Micah war.
    Ich erkannte die Wölbung seiner Schulter und die Art, wie meine Rückseite lückenlos an jede Fläche und Mulde seines Körpers passte. Für einen Mann hatte er grazile Arme, aber ich sah die Muskeln spielen, als er mich an sich drückte. Ich wusste, wie viel Kraft in dem schlanken Körper steckte. Er war mir ähnlich, viel ähnlicher als man auf den ersten Blick vermuten konnte.
    »Wie geht es dir?«, fragte er so dicht an meinem Ohr, dass ich sein Flüstern als laut empfand.
    Ich selbst klang fern und hohl, genauso wie ich mich den ganzen Tag gefühlt hatte. »Besser.«
    »Immerhin bist du schon wärmer«, sagte er. »Jason sagt, dir ist schlecht und schwindlig gewesen. Ist das vorbei?«
    Ich überlegte und versuchte, mich selbst zu spüren, anstatt nur die behagliche Wärme und Nähe. »Ja, es geht mir besser. Was ist denn eigentlich mit mir los?«
    Er drehte mich herum, sodass ich quer auf seinem Schoß saß und ihn ansehen konnte. Er lächelte mich an. Die Sommerbräune, mit der ich ihn kennengelernt hatte, war ein wenig heller geworden, aber immer noch auffällig, und sie unterstrich sein erstaunliches Aussehen. Es fing bei den Augen an, die grüngelb waren wie bei einer Katze, mal grüner, mal gelber, je nach seiner Stimmung oder den Lichtverhältnissen oder der Farbe seines T-Shirts.
    Die Pupillen waren große schwarze Teiche und die schmale Iris leuchtend hellgrün. Menschen hatten nicht so grüne Augen, vielleicht

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