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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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erneut gestürzt. Doch er bugsierte mich langsam zur Tür. Ich wollte mich nicht in diesem Zimmer übergeben. Darum machte ich mich von ihm los und rannte taumelnd in den Flur. Dort fiel ich auf alle viere und kotzte auf den hellen Teppich. Mein Kopf dröhnte und grelle weiße Sterne tanzten vor meinen Augen.
    Ich kroch zur obersten Treppenstufe, ohne zu wissen, was ich dort wollte. Der Boden kam mir entgegen, lauter weiches Grau, dann wurde es schwarz.

21
    D ie Kacheln taten so gut auf der Haut, waren so angenehm kühl. Jemand lief hin und her. Kurz dachte ich daran, die Augen aufzumachen, aber das war mir zu anstrengend. Jemand legte mir einen kalten Waschlappen in den Nacken. Ich schauderte und machte die Augen auf. Es dauerte eine Sekunde, bis ich klar sehen konnte. Das Knie neben meinem Gesicht war mit Strumpfhose und Rock bekleidet.
    Es konnte keinem von den Männern gehören, außer es hätte einer eine Neigung, die mir noch nicht aufgefallen war. »Anita, ich bin’s, Tammy. Wie geht es Ihnen?«
    Ich verdrehte die Augen, aber meine Haare waren im Weg, sodass ich nicht viel sehen konnte. Helfen Sie mir auf, wollte ich sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Ich versuchte es noch mal, und sie musste sich herabbeugen, um mich zu verstehen. Sie schob sich die Haare hinters Ohr, als könnte sie mich dadurch besser hören.
    »Helfen Sie mir auf.« Mitten im Satz musste ich einmal schlucken.
    Sie schob einen Arm unter meine Schultern und hob mich an. Detective Tammy Reynolds war eins achtundsiebzig groß und gut durchtrainiert, damit die übrigen, sprich männlichen Kollegen ihr keinen Kummer bereiteten. Es machte ihr keine Schwierigkeiten, mich aufzurichten und gegen die Badewanne zu lehnen.
    Aufrecht sitzen zu bleiben war mein Job, und der fiel mir durchaus schwer. Ich stützte mich mit einem Arm ab.
    Tammy nahm den Waschlappen vom Beckenrand, wo sie ihn abgelegt hatte, und drückte ihn mir an die Stirn. Er war kalt, und ich zuckte davor zurück, denn ich fror ohnehin schon. Das war ein neues Symptom. Ein Symptom für irgendetwas.
    »Haben Sie mir«, ich musste mich räuspern, »die ganze Zeit über einen kalten Lappen aufgelegt?«
    »Ja, mir hilft das immer, wenn mir schlecht ist.«
    »Mir scheinbar nicht.« Dass sie bei mir nichts Falscheres hätte tun können, sagte ich ihr nicht. Seit ich Richards Tier in mir hatte, oder wessen Tier auch immer, halfen mir kalte Umschläge nicht mehr. Ich genas vielmehr wie ein Lykanthrop, und das hieß, meine Körpertemperatur stieg an, wenn ich krank war. Ich fühlte mich dann kochend heiß an. Ein wohlmeinender Arzt hätte mich einmal fast umgebracht, weil er mich in eiskaltes Wasser tauchte, um das vermeintlich lebensgefährliche Fieber zu senken.
    Ich fing an zu zittern.
    Tammy richtete sich auf, spülte den Waschlappen aus und legte ihn zum Trocknen auf den Waschbeckenrand. »Ich habe mich im Garten übergeben«, sagte sie. Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Beckenrand und ließ den Kopf hängen.
    Ich schlang die Arme um mich und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, aber vergeblich. Mir war kalt. War ein neues Symptom gut oder schlecht?
    »Das hier ist ein schrecklicher Mord«, sagte ich. »Sie haben bestimmt nicht als Einzige unter den Kollegen das Frühstück wieder von sich gegeben.«
    Tammy sah mich durch ein paar Haarsträhnen an. Wie bei jedem Polizisten durften ihre Haare nicht bis über den Kragen reichen, doch sie trug sie so lang, wie es die Dienstvorschrift gerade noch zuließ. »Kann sein, aber ich bin die Einzige, die ohnmächtig geworden ist.«
    »Außer mir«, sagte ich.
    »Ja, Sie und ich, die einzigen Frauen am Tatort.« Sie klang so erschöpft.
    Tammy und ich pflegten nicht gerade einen freundschaftlichen Umgang miteinander. Sie gehörte den Nachfolgern des Weges an, das heißt, sie war eine christliche Hexe. Die meisten Angehörigen dieser Gruppierung waren Fanatiker, noch christlicher als die Fundamentalisten, so als müssten sie beweisen, dass sie die Erlösung wirklich wert waren. Tammy war reifer geworden, seit sie mit Larry Kirkland zusammen war. Aber dies war das erste Mal, dass mir auffiel, wie viel sie von ihrem strahlenden Äußeren schon eingebüßt hatte. Die Polizeiarbeit frisst einen auf und spuckt einen unverdaut wieder aus.
    Als Frauen mussten wir zäh sein, um akzeptiert zu werden. Dass wir uns heute übergeben hatten, war nicht gerade hilfreich.
    »Sie können nichts dafür«, sagte ich. Das Zittern wurde

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