Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
richtig aufblähen. Ich kann noch nicht einmal meine Lippen weit genug aufmachen.
Verzweifelt wehre ich mich gegen die Lederfesseln. Vergeblich.
Einer der Laborkittel streicht mir sanft mit der Hand über die schweißnasse Stirn. »Ganz ruhig, Mädchen.«
Er spricht mit mir wie mit einem Hund, der beruhigt werden muss. Wenn ich Kontrolle über meinen Mund hätte, würde ich ihn anspucken. Besser noch: Ich würde ihn zu einem Häufchen Asche verbrennen. Dazu bin ich geboren. Und deshalb hat mich das Rudel immer für so wichtig gehalten. Aber das hier, das bin nicht ich. Ich kann mir ja noch nicht einmal selbst aus der Patsche helfen.
Angewidert drehe ich den Kopf weg und schüttle seine Hand ab. Er schnalzt mit der Zunge und blickt zu den anderen. Dann fährt er in demselben besänftigenden Tonfall fort: »Das hilft uns, auf dich aufzupassen und sicherzustellen, dass dir nichts passiert …«
Ich versuche zu erraten, was das wohl zu bedeuten hat. Handelt es sich dabei vielleicht um eine Art Implantat, um meine Herzschläge oder Nervenströme zu überwachen? Wer weiß, wozu ihre Technik in der Lage ist. Ich weiß nur, dass ich es nicht in mir drin haben will. Ich darf unter keinen Umständen zulassen, dass sie es mir einpflanzen.
»Sie ist ganz schön resolut. Das wird ein hartes Stück Arbeit, die hier in Schach zu halten.«
»Wenn irgendjemand dazu imstande ist, dann du. Du gehst immer so einfühlsam mit ihnen um.«
Leises Lachen begleitet mich, als ich aus dem Raum herausgerollt werde, und mir ist klar, dass dieser Kerl alles andere als einfühlsam ist.
Ich recke den Kopf und versuche, mir den Weg durch die Gänge und Flure zu merken und mögliche Fluchtwege ausfindig zu machen. Wir fahren eine ganze Weile lang geradeaus und biegen irgendwann links ab. Kurz danach halten wir an.
Ich werde durch eine Flügeltür geschoben, die mich an die Krankenhausnotaufnahmen erinnert, die man immer im Fernsehen sieht. Das Innere des Raumes wirkt genauso steril und unfreundlich wie ein OP.
Ich werde in die Mitte des Raumes geschoben, wo weitere Laborkittel warten, und liege jetzt unter gleißend hellen Lampen. Rechts von mir kann ich ein breites, rechteckiges Fenster erkennen, hinter dem sich mehrere Menschen drängen, Laborkittel, aber auch ein paar in Zivil gekleidete Leute, die ganz normal aussehen.
Neugierig linsen sie durch die Scheibe, wie Zuschauer bei einer Zirkusvorstellung, die das seltsame wilde Tier sehen wollen. Mehr bin ich vermutlich nicht für sie. Verzweifelt drehe und wende ich den Kopf und sehe mich weiter hilflos nach einem Fluchtweg um.
Ich schaue hoch zu dem Laborkittel, der mich untersucht. Er ist alt. Älter als alle anderen Enkros, die ich bisher gesehen habe. Das Haar auf seinem Kopf ist so weiß und schütter, dass ich die papierdünne Haut auf seinem Schädel erkennen kann.
Seine Finger fühlen sich kalt auf meinem Arm an. Er drückt ein bisschen daran herum und scheint die Struktur und Dichte meiner Haut abschätzen zu wollen.
Entsetzen ergreift Besitz von mir, packt mein Herz mit eisernem Griff und … und plötzlich kommt ein neues Gefühl dazu. Es windet sich durch meinen ganzen Körper, bohrt sich erst in meine Gedanken und verwandelt sich dann in einen heftigen Schmerz in meiner Magengegend. Es ist Sorge. Schlicht und ergreifend. Aber sie kommt nicht von mir … das bin überhaupt nicht ich .
Jeder Nerv in meinem Körper ist auf einmal hellwach und wird von einer Welle an Emotionen überrollt.
Sein Name zittert seufzend durch mich hindurch. Cassian. Er ist ganz in der Nähe. Seine Besorgnis spült über mich hinweg und mir wird abwechselnd heiß und kalt. Sind sie endlich gekommen, um mich hier rauszuholen? Diese Möglichkeit gibt mir neuen Mut. Plötzlich fühle ich mich nicht mehr so deprimierend allein auf dieser Liege, an die ich gefesselt bin.
Mit frischer Energie konzentriere ich mich auf den alten Mann über mir und das Skalpell, das bedrohlich in dem gnadenlosen Licht glitzert. Seine Hand steckt in einem Gummihandschuh, fährt meinen Hals entlang und ich bekomme Gänsehaut.
»Na dann wollen wir mal«, murmelt er. Er dreht meinen Kopf, tastet ihn langsam mit den Fingern ab und hält über meinem Ohr inne.
Ich wehre mich und drehe den Kopf in die entgegengesetzte Richtung. Kräftige Hände rücken ihn unsanft wieder zurecht, legen ein dickes, breites Lederband über meine Stirn und zurren es so fest, dass es mir ins Fleisch schneidet.
Die Bewegungen des alten Mannes
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