Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
denen jetzt die Bedeutung der zeichensprachlichen Ausführungen erschreckend klar wurde. Glasklar.
Das isolonsche Heer war den Cranachiern zahlenmäßig erbärmlich (im Verhältnis eins zu vier) unterlegen, jeder cranachische Soldat führte die achtfache Waffenmenge mit sich, und jede einzelne dieser Waffen war vermutlich achtmal gefährlicher als die Gerätschaften, mit denen die Isolonier angetreten waren. Zitternd standen die Krieger aus Isolon in ihren Stiefeln Marke ›Scharwehr‹ und sahen zu, wie sich das grüne Tal zunehmend schwarz färbte.
In der höhlenartigen Kammer bewegte sich kaum etwas. Durchscheinende Rauchfahnen trieben ziellos durch den Raum, wenn gelegentlich einmal saphirblaue Flammenzungen aus dem sterbenden Ruinenleib des Thaumatrons aufflackerten. Kümmerliche Dampfwolken stiegen von den zertrümmerten Vakuumröhren auf, kondensierten allmählich und bildeten langsam größer werdende Kühlwasserpfützen. Holzsplitter bedeckten den Boden, Bruchstücke der Tür, von der noch ein Viertel sacht schaukelnd an einem Scharnier hing. Weit in der Ferne, in den Korridoren, die dort hinunterführten, wo das schändliche Geheimnis von Losa Llamas verborgen war, polterten unheilvoll die schweren Armeestiefel der cranachischen Reichsgeheimpolizei.
Noch vor ihnen hetzte Praxx verzweifelt durch die Tunnelgänge, gefolgt von Apathos und fünf weißbekittelten und weißgesichtigen Angehörigen des technisch-wissenschaftlichen Personals. Sie waren unterwegs zum Teich. Praxx rannte stolpernd und torkelnd dahin. Er hatte sich von seinem letzten magischen Einsatz nicht wieder erholt, die Energiezufuhr war zu früh unterbrochen worden. Und jetzt, nachdem das Thaumatron zerstört war, war er faktisch hilflos – ein alter Mann, der allenfalls noch über restliche zauberische Kräfte verfügte. Wie so viele Einwohner von Losa Llamas war es auch ihm im Laufe der Jahre zur Selbstverständlichkeit geworden, daß Energie zuverlässig und unbegrenzt zur Verfügung stand und durch einen simplen Zauberspruch angeknipst werden konnte. Seine inneren magischen Kraftzentren waren dabei verkümmert und beinahe vollständig geschwunden, sie hatten sich zu jenen unbenutzten Organen zurückgebildet, von denen sie ursprünglich abgeleitet waren. Genaugenommen war er mittlerweile zu nichts mehr zu gebrauchen. Magieuntauglich.
Er schüttelte den Kopf und versuchte, nicht mehr an die beiden Mädchen zu denken. Welch ein Verlust, grübelte er zerknirscht, ein ganzes Leben hatten sie noch vor sich, soviel, wofür zu leben sich lohnte. Er taumelte um die nächste Biegung, stürzte beinahe – er hatte eine beträchtliche Menge thaumarer Energie in dieses letzte magische Unternehmen gesteckt; es würde voraussichtlich noch eine ganze Weile dauern, bis er sich davon wieder erholt hätte. Wie lange es dauern würde, bis sich Courgette, Dawn und das Verbl wieder erholt hatten, falls sie den Transfer nicht vollständig … Daran wollte er lieber gar nicht denken. Auch nicht daran, ob sie sich überhaupt jemals davon erholten …
Die sieben Männer bogen um eine Kurve, stürmten in wilder Hast eine Steintreppe hinunter, rannten um die nächste Kurve und stürzten in die finstere, modrige Froschkammer. Sie warfen die Tür hinter sich zu und zuckten zusammen, als sie sich der dumpf gurgelnden Geräusche bewußt wurden. Ganz gleich, wie oft Praxx hierherkam (und er war im Lauf der Zeit sehr oft hierhergekommen), nie konnte er verhindern, daß er wieder vor sich sah, was sich vor all den Jahren hier ereignet hatte.
Und auch jetzt schoß ihm unvermittelt wieder dieses Bild durch den Kopf: Er sah den zerschundenen blutenden Körper des Technikers, sah ihn durch die Luft wirbeln, sah ihn im schäumenden, aufgewühlten grünen Wasser, zwischen rasend zuschnappenden Zähnen verschwinden. In einer Ecke auf der anderen Seite des Teichs riß die Hülle eines Eis – groß wie ein Fußball – in Fetzen, ein Fruchtwasserschwall ergoß sich über den Stapel der anderen noch intakten Eier, in denen die junge Brut sich krümmte und wand, und ein frisch geschlüpfter Frosch stakste hochmütig in die Welt hinaus …
Apathos suchte zusammen, soviel er finden konnte, schichtete es auf- und übereinander und verbarrikadierte die schwere Stahltür.
In Praxx’ Kopf lief die Szenenfolge der Bilder des Grauens weiter: Aus dem trüben grünen Wasser reckte sich eine Hand, die Finger suchten irgendeinen Halt, sie streckten sich, krümmten sich und streckten
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