Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
Wörterbuch ins Regal zurück und setzte sich wieder über ihre Enzyklopädie. Auf dem Weg zum Lesetisch stolperte sie leicht über einen in den Steinboden eingelassenen Eisenring. Sie setzte sich und las an der Stelle weiter, wo sie ihre Lektüre unterbrochen hatte, auf der Seite, auf der ein purpurroter Edelstein abgebildet war.
»Amethyst«, flüsterte sie leise. Sie drehte und rollte das Wort im Mund herum.
»Hmm? Was hast du gesagt?« Hogshead blickte auf. Er durchsuchte gerade das unterste Brett eines ganz besonders stark verstaubten Bücherregals.
»Ach – nichts«, murmelte sie und blätterte die Seite um. »Iiii! Eine Anakonda!« kreischte sie auf.
»Wo?« schrie Hogshead und schlug sich den Schädel am Regalbrett an.
»Wo schon? Hier, auf Seite 14, du Dussel«, lächelte sie.
»Könntest du das bitte bleiben lassen?« Hogshead rieb sich den Kopf. »Das macht einen ja ganz konfus!«
»Tut mir leid. War wohl die Begeist…« Sie brach ab.
»Was ist eine ›Begeist‹?« fragte Hogshead konfus.
»Pst!« flüsterte Courgette. »Da kommt jemand!«
»Ich rieche es.«
»Ich auch.«
»Wahrscheinlich Firkin.« Hogshead grinste.
»Du bist gemein«, kickerte Courgette. »Hört sich auch gar nicht wie Firkin an.«
»Wie hört sich Firkin denn an?«
»Kann ich nicht sagen. Aber irgendwie anders als … oh!«
Courgette hielt den Atem an. Eine große Gestalt schlich langsam aus dem Schatten der Bücherregale. Ein Mann. Er trug einen langen Mantel, der zweifelsohne schon bessere Zeiten erlebt hatte, seine Schuhe waren an mehreren Stellen mit gelblichen Fellappen geflickt. Über der Schulter trug er einen großen Rucksack, dessen Nähte weit aufgeplatzt waren und nur mit Ach und Krach gerade noch zusammenhielten. Ein krumpliges Ding mit grünem Rand, das der angejahrte Eindringling statt eines Hutes auf dem Kopf hatte, rundete das schäbige Bild chronischer Verschlamptheit ab. Nur seine Augen …
Courgette starrte stumm und von Scheu ergriffen auf die leeren grünen Kreise, die an der Stelle saßen, an der ein normaler Mensch Augen hatte. Aber sie hatte ja auch keinen normalen Menschen vor sich. Sie hatte Franck vor sich, den Prospektor. Daß sein Blick so kalt und unergründlich war, das lag an seiner Brille. Sie war mit ein paar Drähten ziemlich wackelig an seinen Ohren eingehängt (bei diesem Gestell handelte es sich um ein Langzeitprovisorium, das er irgendwann einmal zusammengeklopft hatte). Die dicken Gläser hätte ein unbefangener Betrachter leicht für die Böden von Bierflaschen halten können. Dieser Eindruck konnte vermutlich deshalb entstehen, weil die Brillengläser aus den abgesprengten Böden zweier grüner Bierflaschen gefertigt waren.
Franck hatte die meiste Zeit seines Lebens [5] in den Krapathen verbracht, auf der Suche nach einer Möglichkeit, schnell reich zu werden. Hätte man ihn vor 1023 MEZ gefragt, wie das denn möglich sein könnte, hätte er mit ziemlicher Sicherheit ganz entschieden mit einem einzigen Wort geantwortet: »Gold!« Niemand, am allerwenigsten er selbst, hätte je daran gedacht, daß er einmal mit Hilfe einer Unzahl gelblich bepelzter Nagetiere, die von einem unwiderstehlichen Drang zur freiwilligen Selbstvernichtung befallen waren, zu Reichtum und Wohlstand kommen sollte.
»Wollte nicht stören«, sagte Franck. »Will mir nur ein Buch für die Reise holen.«
»Für welche Reise?« fragte Hogshead. »Wo willst du denn hin?«
»Wieder zurück«, antwortete Franck schlicht. »Da rauf.« Er zeigte mit dem schmutzigen Daumen in Richtung Krapathen.
»Und wie lange?« Courgette rümpfte die Nase.
»Wird sich zeigen.«
»Und warum? Da oben ist doch nichts!« Hogshead sah sich um. Ihm graute bei der Vorstellung, Khucaph noch einmal sehen oder gar wieder dort leben zu müssen.
»O doch«, sagte Franck, der auf einmal viel munterer klang und sich vielsagend auf die Brusttasche klopfte. »Ich hab ja schließlich meine Landkarte!«
»Und was bringt die?« fragte Courgette.
Franck kam näher und blickte sich ängstlich nach heimlichen Lauschern um. »Verratet ihr’s auch bestimmt niemandem?«
Hogshead und Courgette schüttelten den Kopf und hielten gespannt den Atem an.
»Versprochen?«
Sie nickten und liefen allmählich rot an.
Franck flüsterte ein einziges Wort und beschwor damit glitzernde, facettenreiche Bilder von unermeßlichem Wert herauf: »Diamanten!« Und dann wiederholte er noch einmal und grinste dabei: »Ich hab schließlich meine
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