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Firkin 02 - Die Frösche des Krieges

Firkin 02 - Die Frösche des Krieges

Titel: Firkin 02 - Die Frösche des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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denen man idiotische Flausen in den Kopf gesetzt hatte, konnte er den Winter in den Bergen unmöglich überleben. Seine Augen verengten sich, er ballte die Fäuste und holte tief Luft.
    In einem Anfall wilder Wut hackte er mit mörderischer Wucht auf den unschuldigen Boden ein. Staubwolken wirbelten auf, Steine zerbarsten und pfiffen wie Querschläger durch die Luft. Swinehunts Naturell siegte: Er ließ seiner Wut freien Lauf und seine Frustration an der Erde aus, auf der er stand.
    Der plötzlich einsetzende Krach machte Börrnhadt aufmerksam. Er sah auf und lächelte.
    »Schön, daß er sich endlich mal an die Arbeit macht«, sagte er. Mattsches nickte beifällig.
    Swinehunts gesundes Auge glühte vor Zorn, wie ein eingesperrtes Wildtier wanderte es ruhelos in seiner Höhle hin und her. Er schmiedete finstere Pläne, brütete mörderische Intrigen und Komplotte aus.
     
    Angenommen, ein nichtsahnendes Wesen aus irgendeiner unbekannten zweidimensionalen Welt würde unvermittelt von der ebenen Fläche genommen, auf der es lebt, würde heftig durchgeschüttelt und in das Reich der Dreidimensionalität geworfen; angenommen, sein Geist würde das überstehen und sich nicht noch im selben Augenblick in eine monomolekulare schlotternde Aspikschicht verwandeln – vermutlich kann sich kein Mensch vorstellen, was die Erfahrung von Freiheit und Raum für dieses Wesen bedeuten würde. Es müßte neue Wörter lernen, Wörter wie ›oben‹, ›unten‹, ›Gravitation‹ und ›Drachenfliegen‹. Es könnte Neues ausprobieren, könnte erfahren, was es heißt, sich abzuseilen; oder sich mit den Füßen voraus in die Wonnen des Trampolinspringens zu stürzen oder sich Kopf voran den Ekstasen des Bungee-Jumpings auszuliefern …
    Courgette machte im Augenblick eine ähnlich tiefgreifende, ähnlich spektakuläre persönliche Erfahrung. Vielleicht nicht ganz so gewaltig und etwas weniger halsbrecherisch und riskant. Die neue, zusätzliche Dimension, die sie entdeckte, war unendlich vielteiliger und weit komplexer. Sie war voller Archaismen, Anspielungen und Aphorismen, war durchsetzt mit facettenreichen Sach- und Fachbezeichnungen und vielem anderen mehr. Es war die Dimension der Wörter, und es gab Millionen zu entdecken. Courgette war umgeben von Tausenden von Büchern, die in den langen Reihen aus hohen dunklen Regalen standen, die auf den Regalbrettern hockten wie planktonische Rippenquallen auf dem versteinerten Fischbein eines Millionen Jahre alten Wals. Manuale standen Rücken an Rücken mit mächtigen Bänden, Pergamentrollen schmiegten sich an dicke Wälzer, Druckwerk reihte sich an Druckwerk – alle bis zum Platzen voll mit Myrillionen von Wörtern.
    Myrillionen – gab es dieses Wort überhaupt? Courgette sprang auf, holte ein großformatiges Wörterbuch aus dem Regal, blätterte aufgeregt die riesigen Seiten durch und suchte ungeduldig den Buchstaben M. M … M … Myriapode, Myrtenkranz, mysteriös. Nichts, weit und breit keine Myrillion. Hatte sie sich das möglicherweise zusammenphantasiert? Komisch, sie war sich ganz sicher, daß sie das Wort schon einmal gehört hatte … Myrillionen Sterne funkelten am Himmel … Hörte sich ganz richtig an. Vielleicht hatte es in irgendeinem Buch gestanden. Seit sie die Schloßbibliothek von Isolon entdeckt hatte, hatte sie unzählige Bücher verschlungen.
    Noch bis vor acht Monaten, bis zu jenem Moment, als zwei fünfzehnjährige Jungen [4] zu ihr in die Küche spaziert waren, hatte sie lediglich zwei Bücher besessen – zwei oft und oft gelesene und deshalb auch arg zerlesene Exemplare.
    Seit jener Zeit, seit Swinehunts Tyrannenherrschaft gestürzt und Schloß Isolon wieder bevölkert war, konnte sie, so oft und so lange sie wollte, die Bibliothek aufsuchen. Nach einer langewährenden fiktionalen Dürre waren ihre nach Literatur verlangenden Lippen aufgesprungen und rissig geworden – sie hatte sich Hals über Kopf in den großen Teich gesammelter Geschichten und Erzählungen gestürzt, war bis auf den Grund der Phantasiereiche getaucht, ließ sich durch die smaragdgrün schimmernden Wasser der Märchen und Sagen treiben und sammelte Perlen der Weisheit von den Muscheln der glückseligen Unwissenheit. Ihre latente Intelligenz keimte auf und trieb auf dem Humus von Fakten und Fiktionen Blüten. Und diese Blüten strahlten – wie hätte es anders sein können – leuchtendrot. Prosarot.
    Obwohl sie das Problem ›Myrillion‹ nach wie vor beschäftigte, stellte Courgette das

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