Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
Branchen sortiert, warben Hunderte von Kleinanzeigen um die ›geschätzte Aufmerksamkeit‹ der Leser und Kunden: eine Messer- und Scherenschleiferei zum Beispiel (Scharfe Messer schneiden besser!); ein Rüstungsunternehmen ›Thorhammer‹ (Maßspenglerei, individuelle Aufrüstung und Nachrüstung. Wir bringen Sie in Harnisch!); ein Hufschmied (Schmitz’ Schmiede. 24-Stunden-Service: Wir belegen Ihr Pferd mit Beschlag!), und so ging es seitenlang weiter und weiter… das ganz normale Nachrichtenangebot nach einem ganz normalen Tag in Isolon. Nur auf der Seite ›Aktuelle Meldungen‹ fiel Klayth ein außergewöhnlicher Beitrag auf. Neben einem Bericht über den Stand der Vorbereitungen für das in einem Monat im Schloß stattfindende Volksfest (man kam gut voran, nur: »Ein paar Feuerschlucker mehr sollten es schon sein!«) und der Mitteilung, daß die letzte Woche als vermißt gemeldete Katze Musch wieder gesund und wohlbehalten zurück sei (ein ehrlicher Finder hatte sie aus dem Sack gelassen, in dem er sie gekauft hatte), stand dort ein Artikel, bei dessen Lektüre Klayth das Herz augenblicklich in die maßgeschneiderte Hose rutschte:
EIN GESPENST GEHT UM IM GEBIRGE
DER SCHRECKEN DER TRANSKRAPATHISCHEN HANDELSROUTE
Wie aus gut unterrichteten Kreisen gemeldet wird, nehmen mysteriöse Diebstähle auf der Transkrapatischen Handelsroute erschreckend zu. Kein Kaufmann scheint vor dem skrupellosen Räuber sicher, der auf einsamen Bergpässen schnell und unauffällig zuschlägt. Die Spannung wächst mit jedem Tag, mit jedem neuen Verbrechen.
EIN UNERKLÄRLICHES RÄTSEL
›Es ist ein unerklärliches Rätsel‹, so der Fuhrunternehmer Hassock, das jüngste Opfer des Schreckens der Berge. ›Ich habe nichts gesehen und nichts gehört. Er – oder es – muß von hinten gekommen sein.‹ Kollegen des Unternehmers berichten Ähnliches. Bis jetzt ist es bei Sachschäden geblieben. Wann werden die ersten Verletzten zu beklagen sein? Die Kaufleute wollen endlich Taten sehen. ›Sollte das so weitergehen, werden wir unsere Preise erhöhen müssen. Und das will schließlich niemand‹, kommentierte ein Sprecher der Markt- und Kaufleute.
Als Klayth diesen Artikel las, ging es ihm eiskalt durch Mark und Bein. Er bebte vor Angst und erschauerte bei dem schlimmen Verdacht. Er ließ die Zeitung sinken und starrte mit leerem Blick auf die Seite. Er konnte nicht glauben, was da stand. Er ahnte Böses. Sehr Böses. So unsäglich Böses, daß ihn der übermäßige, kaum zu bändigende Drang befiel, auf der Stelle einen chirurgischen Eingriff an den Handgelenken durchzuführen – und zwar mit eigener Hand und stumpfem Messer –, oder aber loszuschreien und haltlos schnatternd und wild mit den Armen fuchtelnd davonzurennen. Die Worte, die er gelesen hatte, stocherten und stießen und rüttelten an seinem Gewissen, sie nörgelten und quengelten so lange, bis er sich wieder an bestimmte Ereignisse erinnerte, die er für immer hatte vergessen wollen. Sie ließen so lange nicht nach, bis ein Kapitel seines Lebens wieder aufgeschlagen war, das er einmal entschieden und unwiderruflich abgeschlossen hatte. Die Vorfälle in den Bergen verrieten alle die Handschrift eines gewissen Ex-Erzkanzlers. Je mehr Klayth darüber nachdachte, um so intensiver bearbeiteten die Bauingenieure seines Gedächtnisses mit mnemotechnischen Preßluftbohrern den Fahrbahnbelag, unter dem er seine Vergangenheit erinnerungssicher vergraben lagen. Die ersten Risse und Sprünge waren bereits sichtbar.
»Und stimmt das wirklich?« Diese Frage, die ein hörbar wütender Händler stellte, holte Klayth wieder in die Wirklichkeit zurück, in die Ratskammer, in der sich ein aufgebrachter Mob versammelt hatte. Händler, Fuhrunternehmer, Bauern, Journalisten – alle hatten sie die besorgniserregende Meldung in der Morgenzeitung gelesen, drängelten sich jetzt im Saal und forderten Rede und Antwort.
»Selbstverständlich stimmt es«, antwortete Mulben mit Nachdruck. »Oder willst du vielleicht sagen, daß man mir nicht trauen kann?«
»Äh, nein. Ganz bestimmt nicht. Das will ich damit nicht gesagt haben!« Mehrere Versammlungsteilnehmer kicherten.
»Was in der Zeitung steht, glaub ich unbesehen. Immer!« Mehrere Journalisten reagierten auf diesen sarkastischen Zwischenruf mit einem Gebrüll, das nicht eben von Kultiviertheit und gutem Geschmack zeugte.
Die Bohrer rissen Steinbrocken aus dem mentalen Straßenbelag, die Sprünge klafften immer weiter auf.
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