Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum
vor dem eindrucksvollen Panorama der in gewaltigem Aufruhr befindlichen, tobenden Naturgewalten inszenieren wollten, so wahrscheinlich war wie die Möglichkeit, daß eine Napfschnecke ohne fremde Hilfe fliegen lernt. Und zwar rückwärts.
Im Laufe dieses letzten Tages der Menschheit verschlechterte sich die Stimmung konstant, die Mächte der profanen Alltäglichkeit feierten rauschende Triumphe. Ganz Krillingen verfiel in fieberhafte Passivität, überall brodelte es vor kaum mehr bezähmbarer Wurstigkeit. Wozu noch die Napfschnecken für das Sonntagsmenü sammeln, wozu noch den Wagen waschen oder irgend etwas anderes erledigen, wenn es alles das morgen nicht mehr gab?
Und doch glaubte jeder ganz bestimmt, daß sich in Kürze noch etwas ereignen würde. Denn irgendeinen Erinnerungswert mußte das Ende aller Dinge doch schließlich haben!
Tatsächlich ereignete sich dieses Etwas kurz nach 2 Uhr. Auf dem Marktplatz, im Herzen von Krillingen, war ein kleines Podest errichtet. Niemand wußte, wie es dort hingekommen war. Drei Kapuzenträger wuselten um dieses Podest herum, zündeten Kerzen an, verspritzten geweihte Flüssigkeiten und ließen aus Töpfen dichte, duftende Rauchschwaden aufsteigen. Kurz gesagt, sie betätigten sich auf eine Art und Weise, die gleichermaßen hingebungsvoll fromm wie teuflisch geschäftig wirkte. Es sah ganz so aus, als wären diese drei Gestalten intensiv mit den letzten Verrichtungen eines Plans befaßt, durch den etwas Unheilvolles, eine unwiderrufliche Katastrophe verhindert werden konnte. Um zehn nach zwei, eine halbe Stunde, bevor der Begriff ›Zeit‹ irrelevant wurde, bimmelte der Größte von den dreien wie wild mit einer großen Handglocke und fing an, aus vollem Hals zu schreien.
»Mein Volk, meine Getreuen«, schrie er. Meine vertrauensseligen Schwachköpfe! dachte er. »Schart euch um mich! Ich habe euch etwas mitzuteilen, das euer kaltes, kaltes Herz erwärmen wird. Verzweifelt nicht!«
Und sie scharten sich um ihn, wenige erst, dann immer mehr. Es gab ja auch nichts Besseres zu tun. Innerhalb weniger Minuten hatte sich eine neugierige Menge um das kapuzentragende Triumvirat auf dem Podest versammelt.
Die Gestalt in der Mitte warf mit theatralischem Schwung die Kapuze zurück und trat vor: Seine Eminenz, Bharkleed, der Leidenschaftlich Exaltierte. Links und rechts von ihm: Flaezz und Wenzl. Gebieterisch hob Bharkleed die Arme, breitete sie weit aus und nahm seine massenwirksame Lieblingspose ein: »Mein Volk, mein wunderbares Volk! Stolz und entsetzliche Angst, Selbstachtung und Grauen wohnen, ach!, in meiner Brust und wollen mir das Herz zerreißen!« Er wischte sich eine imaginäre Träne aus den Augen und schnippte sie über die Menge hin. »Gebetet habe ich um die Kraft, um den Mächten der Vernichtung Einhalt zu gebieten, den Himmel angefleht darum, daß ihr, meine treuen Jünger, verschont bleibet!«
Schmeichle ihnen! dachte er. Salbe die Hand, mit der ihre Seele nach der Errettung greift, auf daß sie aus der Hand fressen, mit der du nach ihnen greifst!
»Das Ende kommt zu früh. Noch darf nicht alles zu Ende gehen, nicht jetzt schon, da es noch so vieles gibt, das ich von euch, äh, das ich an euch so, äh, schätze. Ich habe daher die ganze Nacht gewacht, habe verzweifelt gesucht und in uralten Schriften geforscht, um uns und alles, was um uns ist, im letzten Augenblicke noch vor einem grauenvollen Ende zu bewahren. Doch muß ich zu meinem Leidwesen, nein!, zu meinem Entsetzen gestehen, daß wir drei, deren Stimmen nur schwach sind, diese Aufgabe möglicherweise alleine nicht bewältigen können.« Er schniefte. Ganz so, als könnte er den Aufruhr der Gefühle, der ihn im Innersten bewegte, kaum mehr unterdrücken. »Nur mit eurer Hilfe kann es uns gelingen, das Ende abzuwehren! Seid ihr bereit, wollt ihr es mit uns versuchen?«
Stimmengemurmel, spärliche Zustimmung.
»Ich kann euch nicht hören. Ich fragte: Wollt ihr es versuchen?« Bharkleed hielt den Kopf schief und legte lauschend die Hand ans Ohr.
Beifälliges Gebrummel, etwas mehr und kräftiger diesmal.
»Wie bitte?« rief er und legte wieder die Hand ans Ohr.
Verstärkte Beifallsbekundung, hier und da ein zustimmendes Nicken.
»Ich höre nichts! Noch einmal! So laut ihr könnt: Wollt ihr es mit uns versuchen?«
Ein halbes Dutzend Schreie, in der Hauptsache aber lediglich beifälliges Grunzen.
»Aber nein! Das könnt ihr doch besser! Ganz laut jetzt, noch lauter!«
Endlich kam – laut,
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