Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum
keuchte, schwitzte, zitterte. Schließlich stand er auf, drehte sich um, zuckte noch einmal kurz und stürzte dann mitsamt der Platte Wellhornschnecken krachend zu Boden.
»Du liebe Zeit!« Mit finsterem Gesicht sah König Kharthezsh zu, wie die Schaltiere über die Tischkante verschwanden. »Was für eine Verschwendung! Das schöne Essen!«
Schyrling glotzte die Schnecken an und schluckte ängstlich.
»Sieh einer an! Wellhornschnecken, um jemand zu vergiften!« sagte der König noch. »Die müssen ihn ja wirklich gehaßt haben. Wache! Schafft ihn raus! Und du, Magd, räumst mir die Garnierung von diesem Kaninchen! Und holt die Tänzerinnen!«
Die Leiche von Muphyn wurde weggeschafft. Schyrling beobachtete das Gesicht des Königs. Er hätte eigentlich erwartet, daß sich wenigstens der Anflug eines Gefühls des Bedauerns auf diesem Gesicht zeigen würde … Natürlich wußte er, daß der König Konkurrenz nicht ausstehen konnte. Aber was eben passiert war, das war dann doch ein bißchen sehr derb.
In einer Ecke am anderen Ende des Saals grinste ein gedrungenes Subjekt mit schwarzem, angeklatschtem Haar blasiert und selbstzufrieden vor sich hin und zwinkerte dem König zu. Es war der erfreulichste Giftmord, den Kha Putschieno jemals besorgt hatte! Und weil es sich um eine Arbeit im Auftrag der Krone handelte, war nicht nur jegliches Folgerisiko ausgeschlossen – die Sache wurde großzügig honoriert und schaffte ihm außerdem auch noch alle Konkurrenten in der Boxerkrabben-Branche vom Hals.
Und Konkurrenz war etwas, auf das er jetzt gut und gern verzichten konnte. Die Leiche von Fäustling in seinem Bett …: Wenn er nur daran dachte, wurde ihm wieder schlecht.
Da war das Reich eine lange Zeit in großer Gefahr, denn jeden Edelmann verlangte es sehr nach der Königswürde. Und so schickte man nach jedem Lehnsherren im Reich und nach all den edlen Kriegern, auf daß sie sich einfänden in der Hauptstadt, anderenfalls man sie mit dem Bannfluch belegen würde. Und die Geistlichkeit hob an zu beten um ein Mirakel, auf daß durch ein Zeichen bestimmet werde, wer hinfort König soll sein. Und als die Glocken die Feier der Morgenmette und die Frühmesse einläuteten, erschien neben dem Hochaltar ein gewaltiger Stein, der maß vier Fuß im Quadrat. Und auf diesem Marmelsteine, inmitten des Kirchhofs dortselbst, war ein Amboß zu sehen, nahezu eine Elle hoch, und in ihm steckte ein blankes Schwert. Und in güldener Schrift, deutlich und unmißverständlich standen diese Worte geschrieben, die da lauteten: »Wer immer dies Schwert Exhibitur herausziehet, der ist des Reiches rechtmäßiger König.«
Und jedermann war ganz gehörig beeindruckt.
Und wurden geschwinde zehn mächtige Ritter bestellt und hurtig ein Baldachin errichtet und angebauet zu Schutz und Schirm des genannten Steines. Und kam dann die goldene Lichtmeßzeit, und die Kerzelein leuchteten weit und breit, da trippelten sie in güldenen Sandaletten sonder Zahl voll drängender Begier und von Hoffnung entflammt eiligst an diesen Heiligen Ort. Und inmitten des Volksgewimmels stolperte, die Füße wund und weh im Gemüth ein Jüngling. Wahrhaftig, es war dieser Jüngling der junge Halva, der Lieblingsknappe des edlen Ritters Camelbert, und war er erfüllt von heißem Verlangen, einzutreten unter den rot-grünen Baldachin und Exhibitur aus dem Amboß zu ziehen. Und beiseite schob er die Vorhänge und stürmte hinein. Und laut erhob er seine Stimme und kam zu dem Stein und dem Amboß und schrie: »Ha! Teufel auch! Welcher Witzbold hat das blöde Schwert geklaut, hä? Verdammt noch mal, wo isses? Wie soll ich da König sein, wenn sich einer das Ding unter den Nagel gerissen hat?«
Und jedermann zuckete rathlos die Achseln.
»Hört mal: Ich soll das Ding rausziehn, ich und sonst keiner! So, wie’s in der Geschichte steht … Oder … Nein, nein, nein! Nicht schon wieder eine Neubearbeitung! Das reicht jetzt endgültig! Ich muß auf der Stelle zum Herausgeber. Le Morte D’Halva! Von wegen! Eher schon Le Morte D’Editor, falls er mir eine Neufassung verpaßt hat! Ich hab schließlich einen Vertrag …«
Überall war er zu hören, in jedem Kellergeschoß des Gefängnisblocks von Schloß Isolon: ein einsamer, verwirrter, gellender Schrei. Ausgestoßen von einer weiblichen Kehle, irrte er laut hallend, wie in panischer Flucht durch das tiefe, düstere Dunkel.
Dort stand sie, in pechschwarzer Finsternis, und … stand einfach da. Es war sehr
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