Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Titel: Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
merkwürdig: Eben noch war sie damit beschäftigt gewesen, das zu verrichten, was immer es war, womit sie beschäftigt gewesen war, und dann … dann nicht mehr. Und jetzt konnte sie sich nicht einmal mehr daran erinnern, womit sie überhaupt beschäftigt gewesen war. Aber es war nicht so, daß sie es vergessen hätte … Sie hatte es von vornherein nicht gewußt. Im Augenblick tat sie etwas, das sie noch nie getan hatte.
    »Komm schon, Schätzchen! Mach keine Dummheiten.«
    Die Stimme kam aus dem nachtschwarzen Dunkel. Klang lüstern und ließ sie an braune Zähne denken.
    »Mach schon, gib’s mir! Du willst es doch auch!«
    Ein ohrenbetäubender Krach! Mit einem entsetzten Aufschrei ließ sie das Tablett fallen (sie hatte gar nicht bemerkt, daß sie ein Tablett in den Händen hielt), verstreute das trockene Brot und verschüttete das Wasser.
    »Joi! Warum hast du das gemacht, Süße? Ich wollte doch, daß du’s mir hier reinbringst. Hab mich so auf die knusprige Kruste gefreut.«
    Sie starrte die Gittertür an, die schemenhafte Gestalt, die vor ihr auftauchte, als sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnten. Wie kam sie hierher? Und wo war hier?
    Weil ihr die klassische Ausbildung in Parathaumarer Temporalmodifikation fehlte, zermarterte sich Courgette eine Ewigkeit lang das Hirn, um hinter Herkunft, Name und Taxonomie jener Lebewesen zu kommen, die schuld daran waren, daß sie, vor jetzt vierzehn Jahren in der Vergangenheit, unversehens aus jenem Tal in den Krapathen geholt worden war, ohne daß man sie lange um ihre Einwilligung gefragt hätte.
    Angstbebend kratzte sie sich fieberhaft den fuchsroten Kopf und versuchte sich zu erinnern, was sie vor fünfzehn Sekunden gemacht hatte. Jubelnd hatte sie in das Tal hinuntergesehen, wo die mächtige cranachische Armee restlos besiegt worden war – von einer Handvoll Kinder und einem kleinen braunen, ungeheuer eifrigen Beuteltier.
    Sie blickte sich um, suchte in der Finsternis nach ihren Freunden, nach Firkin, Dawn und Hogshead. Vor allem nach letzterem. Sie waren verschwunden. Aber wohin bloß?
    Sie erinnerte sich undeutlich an aufblitzende Lichter, an einen Wirbel von Bildern, an zahllose Hände, die nach ihr griffen und zupackten und sie von den anderen wegzerrten. Nein, keine Hände. Etwas, das stärker war und … und kleiner. Etwas, das schwirrte und summte.
    Zeitfliegen waren es, jene mikroskopisch kleinen, quasiempfindungsfähigen Schwärme geflügelter Zeitboten, die – in Anspielung auf jenes berühmte Motto ›Tempus fugit‹ – im allgemeinen ›Fluchtfliegen‹ genannt wurden. Sie existierten nur in den Enzyklopädien, Wörterbüchern und Nachschlagewerken der Zentralen Handbibliothek der Gesellschaft zur Sicherung der Zeitgewißheit und Austilgung von Kontinuitätsfehlern. Und selbst dort, in dieser wichtigsten Stätte chronologisch geheiligter Gelehrsamkeit, selbst dort durfte nur ein einziges Exemplar eingesehen werden, und auch das durfte nur in sehr kleinen Portionen und unter der strengen Aufsicht mehrerer Kustoden studiert werden. Absolute Sicherheit war oberstes Gebot. Wäre ein derartiges Buch in die falschen Hände geraten, es hätte den Ruin des Antiquitätenhandels bedeutet. Über Nacht wäre der Markt mit gefälschten Gobelins überschwemmt worden, mit minderwertiger Importware aus Jahrhunderten, in denen Arbeitskräfte noch billig gewesen waren. Es hätte das Ende für Börse und Börsenmakler bedeutet. Niemand hätte mehr investieren wollen, auch nicht in das glänzendste Geschäft, wenn die Erstellung einer detaillierten Gewinn- und Verlustanalyse für wenigstens die nächsten zehn Geschäftsjahre nicht mehr möglich gewesen wäre.
    Was nun Courgette anging, so wäre es sehr gut möglich gewesen, daß sie sehr bald schon den vollkommenen geistig-seelischen Zusammenbruch erlitten hätte. Wäre zufällig jemand vorbeigekommen und hätte ihr freundlicherweise eine erschöpfende und thaumaturgisch korrekte Erklärung der Bedeutung ihrer Aktionen von damals, vor vierzehn Jahren, geliefert, jener Aktionen, durch die sie den Lauf der Geschichte abgeändert und das Heer von Isolon zum Sieger im Zweieinhalb-Minuten-Krieg gemacht hatte, dann wäre es soweit gewesen: Dann wäre Courgette wie ein wimmerndes Häuflein Elend zusammengebrochen.
    Weil ihr aber keine Erklärung zur Verfügung stand, fand sie sich mit ihrer Situation ab, so wie sie es am besten konnte: In der Finsternis des Schloßgefängnisses von Isolon nahm sie ihren konfusen Kopf in die

Weitere Kostenlose Bücher