Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Titel: Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
Sicherheit sein Ziel finden würde: einen Punkt, der zwischen der Bauchspeicheldrüse des Vollstreckers und dessen Gallenblase lag. Genauer gesagt: der sein Ziel todsicher gefunden hätte, hätte sich Pit Pendler etwas mehr als einen Meter über dem Boden und auf halber Strecke zwischen dem Podium und den Galgen aufgehalten.
    Die Stricke spannten sich, Pit Pendler hielt den Atem an, die fünfzehn Kandidaten schrien, Exhibitur durchtrennte die Seilzüge und blieb schwirrend in einem Galgen stecken. Die Fallbretter blieben geschlossen. Mit einem Satz war Courgette bei ihrem Schwert, riß es aus dem Holz, und schon wieder blies der Drache glühendheißes Grauen über die Arena.
    Pit Pendler schrie vor ohnmächtiger Wut und versuchte hektisch, die Stricke wieder zusammenzuknüpfen. Derweil hetzte die in Purpur gekleidete Todesfee, Exhibitur, den eisernen Tod schwingend, auf die Galgen in der letzten Reihe zu. Dreimal blitzte der rasiermesserscharfe Stahl auf, dann waren Firkin, Hogshead und Dawn losgeschnitten und noch im selben Augenblick auf der Flucht in die Wälder von Isolon, wo die Freiheit wohnt und wo sie eine unerträglich aufgeblasene Courgette kennenlernen sollten.

 
V
SANKT ABSENTIUS, DER ORDENTLICH ABGESCHRIEBENE
     
     
    Tief drunten in den Grundfesten des cranachischen Reichspalastes war ein Mann fieberhaft beschäftigt. Mit klopfendem Herzen entzündete er eine weitere Kerze und wienerte die nächste Bank des Kirchengestühls blank. Ein dumpfes Stöhnen lief durch den Raum, schwoll unvermittelt an, fiel unversehens wieder ab – je nach Gemütslage des Mannes, der letzte Hand an das bescheidene Interieur der Kapelle legte und dabei vor sich hin sang.
    In wenigen Stunden sollte die Kapelle von Sankt Absentius dem Ordentlich Abgeschriebenen den alle zwei Jahre gespendeten Segen des Königs empfangen. Alle zwei Jahre wagte sich König Kharthezsh in das unterirdische Labyrinth, suchte die Kapelle auf, murmelte dort ein paar geistlose Worte geistlichen Zuspruchs und ließ sich dann wieder zwei Jahre lang nicht mehr sehen. Es war eine Pflichtübung, die ihm verhaßt war, er hielt sie für ebenso sinnlos wie rückständig. In Kharthezsh’ Leben hatte Religion keinen Platz, er hatte keine Zeit für dieses abgeschmackte Ritual der Verherrlichung eines Mannes, der schon lange tot war; eines Mannes, dem Liebe und Frieden als höchster Lohn galten, der sogar auf hohe, kahle Berggipfel stieg, um diese Ideale zu verkünden, und dabei die Massen mit Brot und Fisch verköstigte! Und das auch noch gratis! Kharthezsh wußte sehr genau, daß man den Menschen, wollte man sie ganz und gar gewinnen, in die Tasche greifen mußte! Diese kleinen runden Plättchen mit seinem Konterfei – es war erstaunlich, welche Macht die Dinger auf die Massen ausübten! Je größer der Anteil, den er an ihnen hatte, und je kleiner der Anteil, über den der Pöbel verfügen konnte, um so größer die Hochachtung, die das Pack ihm entgegenbrachte. Das konnte natürlich auch einfach damit zu tun haben, daß er sich durch höhere Steuern größere Speere leisten konnte, schärfere Schwerter und hervorragend eingerichtete Folterkammern. Wer braucht schon die himmlischen Freuden der Religion, wenn er den irdisch-handfesten, ehrenwerten Lustbarkeiten schwerkrimineller Beutelschneiderei frönen kann? Zum Glück für alle benachbarten Königreiche, die an das vereinigte Königreich von Cranachan und Isolon angrenzten, hatte König Kharthezsh noch nicht erkannt, daß mit inbrünstiger Leidenschaft gepflegte religiöse Differenzen ein unerschöpfliches Reservoir für allerlei kriegerische Anlässe und Unternehmungen darstellten.
    Seine Rechtschaffenheit, Hochehrwürden Patheter III., unterbrach für einen Moment sein Psalmodieren. Er zog geräuschvoll die Nase hoch, räusperte sich nachhaltig und spuckte gekonnt auf den Kerzenleuchter, den er in der Hand hielt. Dann entfernte er mit Hilfe einer seit langem schon abgelegten Unterhose die schmierige Schicht aus Ruß und Talg, die sich in zwei Jahren angesammelt hatte, und fing wieder an zu psalmodieren, weitgehend atonal. Nur noch drei Kirchenbänke, dann war alles bereit.
    Und während Hochehrwürden Patheter III. noch schrubbte und spuckte, hörte er immer wieder – einmal schwächer, dann wieder deutlicher – ein scharf klickendes Geräusch, das allmählich lauter wurde. Es kam ihm irgendwie bekannt vor, erinnerte ihn an etwas. An etwas, das er zum letzten Mal vor … vor … oooch, gut zwei Jahre

Weitere Kostenlose Bücher