Firkin 04 - Hundstage
Flasche grüner Flüssigkeit entnahm und durch den Raum warf. Knapp fing sie reflexartig in der Luft auf und stopfte sie in seinen Sack.
Mancini steckte die protestierende Molluske in den mit Salzwasser gefüllten Flachmann und packte Knapp am Kragen. Dann eilte er aus ihrem Palastgemach und hielt nur so lange inne, um mit der anderen Hand eine große tragbare Vitrine zu ergreifen und den verdunkelten Korridor nach Nachtwachen abzusuchen.
»Was habt Ihr vor?« quäkte Knapp, der von dem KUT prompt ignoriert wurde.
Mancini schleifte Knapp, wenn es nötig war, hinter sich her und lief, so schnell und leise wie möglich durch das Herz des Palastes, lugte vorsichtig um die Ecken, bevor er abbog, und lauschte an den Türen und am Boden, um zu sehen, ob sich Wachen näherten.
Minuten später bremste er quietschend vor zwei großen Bambustürhälften.
»Wurde aber auch Zeit! Was, zum Henk …«, begann Knapp entrüstet.
Mancini fuhr herum, drosch Knapps Mund mit der Handfläche zu und deutete mit der anderen drängend auf ein Türschild. Knapp kniff die Augen zusammen, als er die für ihn unverständliche Buchstabenreihe erblickte, und zuckte die Achseln. Mancini erwägte kurz, lautlos die Worte ›Kaiserliches Badezimmer. Eintritt wird mit Schmerzen und Entkörperlichung geahndet‹ zu mimen, doch dann entschied er sich dagegen. Statt dessen drückte er seine Hand fester gegen Knapps Mund und schlängelte sich leise durch die Tür. Jeder Muskel war angespannt und strebte nach gesunder Stille. Er bemühte sich verzweifelt, in der dicken, feuchten Atmosphäre der sauer werdenden Ziegenmilch nicht zu husten, als er Knapps Sack die kleine grüne Flasche entnahm. Knapp holte tief Luft, würgte und wurde so bleich wie Ziegenkäse. Mancini eilte zu dem verlassenen Becken, sein Atem echote viel zu laut und sein Herz raste, als er die Flasche mit der grünen Flüssigkeit in den seichten Teil entleerte. Dann knackte er die Tür am anderen Ende des Raumes, hauchte dreimal, kroch hinter den Vorhang und wartete.
»Sagt mir, was Ihr vorhabt!« flüsterte Knapp ängstlich.
»Wart’s ab, dann siehst du’s«, flüsterte Mancini, dessen Stimme von dem Stoff gedämpft wurde.
Sie brauchten nicht lange zu warten. Der warme, muffige Geruch von Ziegenmilch strömte durch die Tür, umrundete mehrere Ecken und wehte in die sanft zuckenden Nüstern der einhundertundeins schlafenden Verdammnisse. Blitzartig aktivierte sich eine Unzahl von Geruchsnervensystemen. Ihre assoziierten Motoriksysteme sprangen an und zum Frühstück auf. Zum Glück für Mancini wurde die innere Uhr der Verdammnisse nicht angesprochen, sonst hätten sie vielleicht bemerkt, daß es noch nicht einmal fünf Uhr morgens war – viel zu früh für Brekkies.
Sie flitzten durch die Gänge, rutschten um gebohnerte Ecken der aromatischen Steigung entgegen, huschten schneller, als sie sich dem Badezimmer näherten. Mancini hielt die Luft an, als sie durch die Tür sprengten und gierig ins Becken sprangen. Er würde in wenigen Sekunden herausbekommen, ob er den Metabolismus, die Dosierung und die Verdünnungsfaktoren der Verdammnisse richtig eingeschätzt hatte.
Ein Heer von Zungen schleckte die mit Drogen versetzte Ziegenmilch und verschlang ahnungslos den künstlichen Zusatz. In wenigen Sekunden hatte jede Verdammnis mindestens doppelt soviel von der kritischen Dosierung verspeist als man brauchte. In den nächsten Minuten würden sie es bedauern.
Ein kleineres der gescheckten Geschöpfe, das bis zum Bauch an der seichten Stelle in der Milch stand, knurrte und schüttelte verwirrt den Kopf, verwirrt von der plötzlichen Verdoppelung zahlreicher seiner Gliedmaßen. Es hob verdutzt die beiden linken Vorderpfoten und gaffte sie an. Sie paßten zueinander. Acht einziehbare rasiermesserscharfe Krallen, vier nichthaftende aufschlagwiderständige harte Ballen, allwettermonochrome Körperbehaarung, perfekt. Sie beugte eine einzelne vernichtende Zeigekralle und blinzelte, als zwei leuchtende Klingen vor ihren Augen zuckten … Irgend etwas stimmte hier nicht; irgend etwas mußte dringend untersucht werden … Eine Woge der Müdigkeit überspülte das Bewußtsein der Verdammnis und schickte zerschmetternde Erschöpfung in sein empfindungsfähiges Hirn … Etwas mußte untersucht werden … untersucht … Ach, später. Jetzt war eher die Zeit für … Schnarch.
Mancini jubilierte innerlich, als sich die Verdammnisse mit den rasiermesserscharfen Krallen überall im Becken
Weitere Kostenlose Bücher