Firkin 05 - Fahrenheit 666
Phaust!« ermahnte ihn der Maler.
Götz verstand kein Wort. »Von was für einem Pakt redet ihr überhaupt?«
Als ob er eine Antwort darauf geben wollte, rollte der Geiger den Bogen dramatisch zwischen den Fingern und sägte auf seinem Instrument einen kreischenden Triller aus Achtelnoten. Die Obertöne schmerzten Götz in den Ohren und hämmerten mit dem über mehrere Oktaven gleitenden Crescendo des großen Finales von Queazx’ erotischer Symphonie in b-Moll auf seine Trommelfelle ein. Ein jeder, der auch nur etwas von postmodernen neoklassizistischen Symphonien verstand, hätte die dreizehn Neunachteltakte als die technisch größte Meisterleistung in der Geschichte des Geigenspiels erkannt.
»Was für ein fürchterlicher Radau!« stöhnte Götz, der sich entsetzt die Ohren zuhielt.
Das spitzbärtige Gesicht des Geigers verzog sich zu einer spöttischen Miene. »Kulturbanause!« murrte er und stupste Götz den Bogen in die Nase. »Wohl noch nie richtige Musik gehört, was?«
»Selbst eine rollige Katze klingt da melodischer.«
»Das ist Musik in absoluter Vollendung, mein Junge«, knurrte der Geiger. »Und niemand kann diese Musik besser spielen als ich, und dabei wird’s auch bis in alle Ewigkeit bleiben!« stellte er klar und trat dabei gegen einen Haufen Lumpen auf dem Boden. Der Haufen bewegte sich, drohte mit einem Finger und fiel wieder in sich zusammen. »Das hörst du nicht so gern, stimmt’s Queazx?« Der Finger drohte erneut.
»Traurige Geschichte«, klärte der Maler Götz auf. »Queazx hat seine Seele verkauft, um das spieltechnisch schwierigste Musikstück aller Zeiten zu schreiben. Na ja, und der Geiger hat seine Seele verkauft, um es spielen zu können, und jetzt stecken die beiden hier unten und haben kein Publikum.«
»A … aber wieso?« stammelte Götz, der trotz seiner über Jahrzehnte strikt eingehaltenen Glaubensdisziplin nun seinen eigenen Ohren nicht mehr traute.
»Ganz einfach«, antwortete der Maler. »Viel zu einfach sogar. Es reicht schon, wenn du dem für deine Gegend verantwortlichen Teufel dreimal deine größten Sehnsüchte oder Wünsche ins Ohr flüsterst, und schwuppdiwupp ist es um dich geschehen. Bevor du weißt, was passiert ist, bist du hier unten gelandet, obdachlos, folterfrei und hast ungefähr dieselben Rechte wie eine komatöse Bohrassel in einem Sterbehilfeskandal. Wir sind die illegalen Einwanderer von Helian.«
Götz’ Kinnlade hing schlaff bis zum Brustbein herunter. »Und weshalb bist du hier?« fragte er den Maler.
»Wegen Akne«, murmelte der Maler, dessen Haut frisch wie ein gepuderter Babypo glänzte.
»Aber in meinen Augen sieht deine Haut sehr gesund aus«, meinte Götz.
»Jetzt vielleicht, aber vorher war’s grauenvoll! Ich konnte nie jemanden dazu bringen, für mich nackt Modell zu stehen, weil jeder glaubte, sich anzustecken. Ich war ganz verzweifelt, weil meine Karriere dadurch völlig ruiniert wurde. Deshalb hab ich das hier gemalt.« Betrübt zog der Maler die Hülle von einem Bild herunter und zeigte Götz ein Selbstportrait, das unter einem in Öl gemalten Eiterhaufen aus Pusteln und Wunden kaum zu erkennen war. »Wir haben hier unten alle möglichen Leute.«
Er zeigte auf einen anderen Lumpenhaufen auf dem Boden. »Das ist der reichste Mann aller Zeiten. Er hat seine Seele für einen Zehn-Millionen-Talerschein verkauft, und ist arm wie eine Kirchenmaus gestorben, weil keiner genügend Kleingeld zum Wechseln hatte.«
»Und warum bist du hier?« wollte der Geiger wissen.
»Ich … ich … bin hier …« Götz blickte verlegen nach unten, bevor er gestand: »Na ja, es war wohl die Lust.«
»Nein!« riefen die Paktmänner ungläubig im Chor.
»Doch«, bekräftigte Götz. »Genauer gesagt, die Lust auf betörende Nymphen, die auf ungesattelten Poloponys reiten.«
»Nein!« staunte der Maler wieder.
Götz nickte.
»Nein«, beharrte der Maler. »Ich meine, noch nie hat jemand seine Seele aus Lust verkauft …«
»Ich schon!« platzte Phaust dazwischen.
»Du hast mir gesagt, das seien stressige Orgien gewesen«, wandte der Geiger ein.
»Ja, aber da war auch viel Lust dabei«, rechtfertigte sich die hagere Gestalt mit wollüstigem Grinsen.
Der Maler wandte sich wieder an Götz. »Was genau hast du dir denn am meisten gewünscht? Woran erinnerst du dich als letztes?«
Götz schüttelte den Kopf. »Eine Gemeinde. Ich hab gesagt, daß ich alles dafür geben würde, endlich eine Gemeinde zu haben. Alles, was ich wollte, war doch nur,
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