Firkin 05 - Fahrenheit 666
dümmer, als eine Visitenkarte zu hinterlassen!« ereiferte sich Seelenwachtmeister J’hadd aufrichtig. Voll freudiger Erwartung schlängelte er sich durch die gewundenen Gänge der kaiserlichen Palastfestung und drängte Hauptkommissar Scheitel in Richtung des Gefangenen. Traditionell war der Hauptkommissar des GURU beim Verhör eines von einem seiner Untergebenen festgenommenen Schwerverbrechers anwesend. J’hadd konnte es kaum erwarten, die Formulare auszufüllen und den notwendigen Pergamentkram zu erledigen. Der für die Festnahme verantwortliche Beamte … Seelenwachtmeister Knalli J’hadd! Unzählige Male hatte er das schon geübt und sich vergewissert, daß alle Buchstaben in die kleinen Rechtecke paßten und trotzdem leserlich blieben, und schon bald sollte all das zur Realität werden. Seine erste Festnahme!
Als er um die nächste Ecke bog, setzte er, sprudelnd vor Begeisterung, zu einer detaillierten Beschreibung der eigentlichen Verhaftung an. Während der vergangenen zehn Minuten hatte er einen unaufhörlichen Wortschwall aufrechterhalten und sich kaum Zeit zum Atmen genommen, um Hauptkommissar Scheitel mit Information über diesen Bösewicht zu überschütten, wobei sich die Miene seines Vorgesetzten von Mal zu Mal verfinstert hatte. Der Fall schien hieb- und stichfest zu sein, und bislang sah Scheitel keine Möglichkeit, den Täter aufgrund eines Formfehlers freizulassen. Also konnte er nur noch hoffen und beten, daß J’hadd doch nicht irgendwelchen Mist gebaut hatte.
Schließlich blieb J’hadd vor einer massiven Tür stehen und klopfte daran. »So, wir sind da!« verkündete er. Als er von drinnen ein Stöhnen vernahm, öffnete er die Tür und sah, wie sich Schwinger gerade vom Boden aufrappelte. Der Henker rieb sich durch die Lederkapuze hindurch den schmerzenden Hinterkopf, setzte sich und blickte mürrisch auf die Trümmer seines Modellgalgens.
»Bleib ruhig sitzen«, meinte J’hadd, der sich seines selbstherrlichen Auftretens offenbar nicht bewußt war. »Mach deinen Kram da zu Ende, wir finden den Weg auch alleine.« An Scheitel gewandt, als wäre dieser zum ersten Mal hier, fügte er »Hier entlang!« hinzu und stolzierte entschlossen in Richtung Zellentrakt.
Als wollte er erst einmal seine Gedanken sortieren, schüttelte ›Rübe‹ Schwinger heftig den Kopf und blickte verwirrt auf den fünfzig Pfund schweren Sandsack auf dem Boden. Sein Versuch zu verstehen, was sich hier in der letzten Zeit abgespielt hatte, wurde durch einen Angstschrei aus Richtung der Zellen jäh unterbrochen.
»Wo ist der Kerl?« schrie J’hadd, der mit schwingenden Fäusten auf den Henker zustürmte. »Was hast du mit ihm gemacht? Wo ist mein Gefangener?«
»Häh?« Schwinger blickte von den zerbrochenen Streichhölzern auf den Sandsack und dann wieder zurück. »Dein Gefangener?«
»Ja, genau! Du hast mich richtig verstanden! Vor nicht einmal einer halben Stunde habe ich einen Sünder ersten Grades hierhergebracht, und er ist jetzt nicht mehr da!« fauchte J’hadd, der instinktiv spürte, daß für ihn das sorgenfreie Leben im GURU auf dem Spiel stand. Womit hatte er das verdient? Stets hatte er sich nach dem Buch der Bücher gerichtet, und nun das! »Wo ist er?«
»Ich … ich kann mich an nichts erinnern«, stöhnte Schwinger, bei dem sich die Folgen einer schweren Gehirnerschütterung zeigten.
Um nicht laut loszulachen, preßte sich Hauptkommissar Scheitel die Hand auf den Mund.
Schwinger sortierte das Miasma wabernder Gedanken in seinem Kopf. »Trug er ein rotes Nachthemd?« wagte er sich vor.
»Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätte ich ihn noch aus einem ganz anderen Grund festgenommen! Als ich ihn hierherbrachte, trug er einen tintenbeschmierten Arbeitskittel und hatte gelbe Hände. Erinnerst du dich nicht?«
Schwinger schüttelte den Kopf und Scheitel lief noch röter an, während er krampfhaft das Lachen unterdrückte und sich nur wunderte, weshalb ihm das nicht selbst eingefallen war. Denn wie hätte man J’hadd besser an einer Festnahme hindern können, als den Verbrecher einfach verschwinden zu lassen? Eine brillante Idee! Dafür hatte sich Schwinger eine Gehaltserhöhung verdient.
J’hadd stampfte heftig mit einer Sandale auf. »Wer ist hier verantwortlich?« wollte er wissen.
Schwinger kratzte sich an der Kapuze. »Ähm … Kommandant ›Rabe‹ Achonite. Ich fürchte allerdings, daß er nicht sonderlich begeistert sein wird, wenn er …«
»Klar! Ich glaube sofort, daß er
Weitere Kostenlose Bücher