Firkin 05 - Fahrenheit 666
drückten die Finger noch etwas fester zu. »Kein Schein, keine Schinderei.«
»T … T … To …?« stammelte Götz, während er riesige Maschinen erblickte, vor denen es von schweißdurchtränkten Leichen wimmelte, die sich in unerträglicher Hitze abrackerten und darüber hinaus von kreischenden Dämonen regelmäßig ausgepeitscht wurden.
»Du hast keinen, stimmt’s?« zischelte der Totenwächter. »Hab ich mir gleich gedacht. Du siehst mir nämlich nicht danach aus, als hättest du dir die Schinderei auf den Schiffswerften verdient. Also mach ’ne Fliege, und geh zu deiner eigenen Folter, du Glühwürmchen!« Der Arm drückte Götz in die entgegengesetzte Richtung.
»M … Moment mal! Welche Folter meinst du denn?«
»Ach sooo …! Du hast dich verlaufen, wie?« Der Totenwächter zog eine Grimasse. »Soll ich dich der Malebranche melden?«
Etwas in Götz erschauderte und verursachte eine eiskalte Gänsehaut. Die Malebranche? Also waren die Geschichten, die man ihm während seiner Ausbildung zum Geistlichen erzählt hatte, wahr: In der Hölle gab es tatsächlich überall patrouillierende Sicherheitskräfte. Götz war erstaunt.
Doch noch erstaunter war er über sein eigenes Verhalten. Ohne auch nur die geringsten Bedenken zu hegen, beurteilte sein Verstand die Lage, in der er sich befand, blickte sich prüfend um, ob er von jemandem oder etwas anderem beobachtet wurde und antwortete ziemlich zwanglos: »Nein, ich denke, die Malebranche hat genug zu tun. Anscheinend bin ich in die falsche Richtung gelaufen. Ich dachte, das hier sei die … na … die Abteilung ›Blasphemisten‹.« Ein Teil von Götz’ Verstand schrie erschrocken auf; offenbar war er schon viel zu lange hier unten gewesen, denn zum ersten Mal hatte er tatsächlich eine Lüge erzählt. Was ihm allerdings wirklich zu schaffen machte, war, daß ihm das gar nicht so schwergefallen war.
»Blasphemisten? Noch nie davon gehört. Ist das ’ne neue Abteilung?«
Götz baumelte mitleiderregend einige Zentimeter über dem Boden. »J … ja«, stammelte er. »I … ich bin gerade dahin über … überstellt worden.« Die zweite Lüge!
»Ach ja? Von wo?«
»Ähm … ähm … von der Abteilung ›Feuerteufel‹«, wimmerte er.
»Im Ernst?« staunte der Totenwächter. »Da wär ich nie drauf gekommen … Kennst du denn ›Mist‹ Forke? Toller Typ war das, bis dieser Unfall passiert ist …«
»Ähm, nein … man kann ja nicht jeden kennen. Ein Freund von dir?«
»Von mir? Nein, er hat nur andauernd versucht, sich hier einzuschleichen, um sich vor der Folter zu drücken.«
»Ich bin ja bald wieder bei den Feuerteufeln«, log Götz schon wieder. »Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Nee, laß mal, sag ihm einfach einen schönen Gruß von mir«, grunzte der Totenwächter und ließ Götz endlich wieder los.
Der Pfarrer rannte in die brodelnde Menge zurück und wurde von dem endlosen Strom gepeinigter Seelen mitgerissen. Sein Verstand spielte verrückt; einerseits war er von seiner neu entdeckten Fähigkeit zu lügen entsetzt, andererseits versuchte er zu begreifen, wo er sich befand. Fragen prasselten auf ihn ein und verlangten nach plausiblen Antworten. Wo war er? Warum war er hier? Und wenn er wirklich dort war, wo er zu sein glaubte, warum mußte er dann nicht zu einer Folter gehen?
Mit voller Geschwindigkeit bog er erneut um eine scharfe Ecke, verlor den Halt und geriet ins Taumeln. Dabei verfing sich sein rechter Fuß in einem kleinen Geigenkasten, er stolperte und fiel kopfüber auf einen laut protestierenden Musiker.
»Schnappt ihn!« schrie ein in die Jahre gekommener Maler, der aufsprang und sich auf Götz stürzte. Ihm folgte ein abgemagerter Mann, der grinste, als hätte er die Maul- und Klauenseuche. Im Nu hatten sie sämtliche Taschen von Götz durchwühlt und spuckten spöttisch auf die Straße, weil sie nichts Nützliches hatten finden können.
»Ich hoffe, es hat sich gelohnt«, grummelte der Maler, der sich wieder am Rand der schmalen Gasse niedergehockt hatte.
»Wie bitte?« Götz kam wieder auf die Beine. »Was soll sich denn gelohnt haben?« fragte er, wobei es ihm überhaupt nur leidlich gelang, das in seiner Stimme mitschwingende Erstaunen zu unterdrücken.
»Hast du etwa einen guten Pakt geschlossen?« erkundigte sich der Mann mit dem lustvoll starren Grinsen. »Besser als vierundzwanzig Jahre lang ein orgastisches Lustgefühl sondergleichen zu verspüren?« geiferte er mit lechzender Zunge.
»Ach, halt’s Maul,
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