Firkin 05 - Fahrenheit 666
gerade noch rechtzeitig zur Seite, als zwei Schränke mit jeweils sechs Schubladen an ihm vorbeidonnerten. Der Tisch, der durch einen enormen Glücksfall groß genug war, um das Loch zu schließen, krachte gegen die Decke und blieb zwischen zwei Aktenschränken stecken. Wie durch ein Wunder versiegelte er den Abzug fester als die Daktylusstute draußen das Fenster.
Nur Bruchteile von Sekunden später kreischte Harpyie auf, glitt ein Stück an der Seitenwand des Gebäudes entlang und stieß sich schließlich ab.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Druck auf den Ohren bei allen Beteiligten gelegt hatte und sie wieder richtig hören konnten.
Gefühle tiefsten Abscheus durchströmten J’hadds Körper, jagten durch sein Rückenmark und schnellten bis in seine Armmuskeln vor. Mit Kampfgebrüll und hocherhobenem AS-Dolch stieß er aus der Menge hervor, das Blut pulsierte heftig in seinen Ohren, und der Schweiß strömte ihm von der narbenübersäten Stirn.
»… wenn wir so weitermachen, ist das nichts als sinnlose Zeitverschwendung, und deshalb müssen wir … urgh!« J’hadd umklammerte Frau Grüns Kehle, zerrte sie zu Boden, holte mit dem Dolch aus und …
… und hielt plötzlich inne.
Auch wenn es aufgrund des kochendheißen Miasmas von Abgasen, das aus dem Septett vulkanischer Dampfquellen in den Himmel schoß, nicht zu erkennen war, so wurde doch genau in diesem Augenblick eine vierzig Zentimeter breite Zauberdrahtkappe, die mit einem passenden Paar Kristallprismengläser ausgestattet war, hinausgeschleudert, stürzte schließlich trudelnd herab und landete etwa achthundert Meter weiter entfernt unter einem kleinen Heidestrauch.
J’hadd schüttelte noch immer verdutzt den Kopf, als ihm Fichte in den Rücken sprang und ihn zu Boden streckte. Die Umstehenden traten einen Schritt vor, um besser sehen zu können. Sicherlich war es eine gute Sache, Vögeln das Leben zu retten, doch bei einer zünftigen Schlägerei zuzuschauen war noch besser.
Fichte stürzte sich wiederholt auf J’hadd, drückte ihn immer wieder auf den Boden … und blickte irgendwann völlig verwirrt drein. Bei Leuten, die von ihm zu Boden gestreckt worden waren, hatte er schon einige merkwürdige Reaktionen erlebt und … na ja, Lachen war durchaus eine davon gewesen, allerdings hatte es sich dabei stets um ein hysterisches Lachen gehandelt. Doch hatte er noch nie zuvor jemanden gesehen, der sich auf dem Rücken wälzte, in Richtung des Himmels zeigte und sich dermaßen kaputtlachte, als ob ihm der höllischste Witz aller Zeiten erzählt worden wäre.
Ein Aktenschrank, Unmengen von Zetteln aus Nissenpüreepergament und ein großes Sofa schossen aus drei der sieben Abluftrohre in den Himmel.
Und dann geschah etwas noch Merkwürdigeres.
Als dreihundert Meter unterhalb der Erdoberfläche ein Obsidiantisch gegen die Deckenöffnung krachte, bildete sich urplötzlich eine Art Übergangsvakuum. Dieser schlagartige Druckabfall zog sich das Rohr hinauf, das die Verbindung zwischen dem Zentaur-Vergnügungspark und Helian herstellte, und war Auslöser einer höchst eigenartigen Ereigniskette.
J’hadd bemerkte es zuerst. Besser gesagt: er mußte es als erster bemerken, denn im übertragenen Sinne lag er direkt darauf.
Dreiundfünfzigtausend Würmer, die seit jenem Augenblick an allem geleckt hatten, was ihnen vor den Mund gekommen war, weil sie endlich in eine schmackhafte Portion Laub zu beißen hofften, verloren plötzlich den Appetit und flüchteten. Fast zweitausend Maulwürfe folgten ihnen in sämtliche Richtungen.
Der Grund für diese unverhoffte und komplette Massenevakuierung sollte jedem, der sich inner- und außerhalb des Zentaur-Vergnügungsparks aufhielt, schon sehr bald äußerst plastisch vor Augen stehen.
Unter J’hadd bewegte sich die Erde.
Die bereits geschwächte und fast irreparable Erdoberfläche war nun durch die Vakuumdruckwelle, die sich kurz zuvor aus den Tiefen der Katakomben von Helian gelöst hatte, endgültig porös geworden. Fünfzehn aufwärts führende Tunnel, die von etlichen zehntausend Regenwürmern und fast zweitausend Maulwürfen gegraben worden waren, hatten nur wenig zur Unversehrtheit des Erdreichs beigetragen, zumal es dem kompletten Gewicht der größten Süßwasserfläche des Talpa Gebirges standhalten mußte.
Die Uferdämme des Sees Hellarwyl zerbarsten.
Unzählige Milliarden Liter Süßwasser bahnten sich den Weg durch die durchlöcherten Erdschichten und drängten sich durch einen
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