Firkin 05 - Fahrenheit 666
nein. Die Ratten da oben sind vielleicht nur … ähm, zu weit weg von hier. Die Signale sind zu schwach, das wird es sein«, schlug er vor.
»Wie? Du meinst, die Felsen blockieren meine Gedanken?« fauchte Flagit.
Götz stimmte ihm derart heftig nickend zu, daß ihm die angesengte Scheitelkappe von der schwitzenden Kopfhaut rutschte und zu Boden fiel.
»Was ist das denn für ein Ding?« staunte Flagit und hob mit mißtrauischem Blick das Scheitelkäppchen mit der rechten Klaue auf.
»Das Ding gehört mir. Das ist ein Teil meiner Amtstracht.« Ein Erinnerungsfunke schoß ihm durch den Kopf: das lückenhafte Bild eines seltsamen Haarnetzes, das etwas zu tun hatte mit … womit nur noch mal?
Im selben Augenblick entbrannte im ansonsten stygischen Dunkel von Flagits Gehirn ein intuitives Flakkern.
»Ein Teil deiner Amtstracht, ja? Also hast du sie auch zu dem Zeitpunkt getragen?« grübelte der Dämon laut nach und rieb sich verschlagen das Kinn, während er in Gedanken schon bei den von der Gesellschaft für Transzendentalreisen mbH angebotenen Voyeursreisen war.
Götz rollte mißbilligend die Augen. »Ja, natürlich habe ich sie getragen, deshalb ist sie ja hier. Du hast doch keinen Pakt mit meiner Garderobe geschlossen, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Aber du hast sie getragen, und der Rattentrick hat funktioniert. Ich habe sie nicht aufgehabt, und es hat nicht geklappt! Ha!«
Blitzartig ließ Flagit Götz los, schob sich in Windeseile das goldbestickte Scheitelkäppchen genau zwischen die Hörner und schloß die Augen. Dann beschwor er zum sechzehnten Mal die geistige Vorstellung mentaler Bienen herauf, von der jede einzelne wild entschlossen war, den Willen eines Nagetiers zu brechen, um es zu beherrschen. Der Korb schmolz um die Bienen herum, und zum ersten Mal fühlte Flagit, wie diese summenden Neuronalkörper durch die Hitze angesengt wurden.
Mit Sorge beobachtete Götz, wie das Scheitelkäppchen rotbraun aufglühte.
Plötzlich war da ein pupurrotes Blitzen auf der Innenseite von Flagits Augenlidern, gefolgt von einem grünen Sternhagel, bis auf der Unterseite seines Sehfelds ein schimmernder Dunstschleier erschien. Mit einem Freudenschrei erkannte er, daß er durch die Augen einer weißen und völlig überfütterten Ratte hindurchsah. Als er bemerkte, daß eine ringgeschmückte riesige Hand aus der Luft auf ihn zusteuerte, stieß er ein für ein erschrecktes Nagetier typisches leises Quieken aus.
In einer schattigen Straße am Fuße des Stratakratzers zog Nabob den Kragen seines Flammenmantels bis kurz unter die Hörner und bog mißmutig um die Ecke. Tausende von erbärmlichen Seelen trotteten mit herunterhängenden Köpfen durch die brennenden Straßen, einige stöhnten, einige jammerten, und alle knirschten fortwährend mit den Zähnen. Alle, das heißt bis auf einen, der im Lichtkegel einer Lavalaterne stand und lediglich mit den Zähnen knirschte.
Nabob verzog sich fluchend ins Dunkel. Das zähneknirschende Monster hatte sich dort seit Dornentagmorgen ununterbrochen aufgehalten und alles und jeden genau beobachtet. Seit sich Nabob als Kandidat für die Wahl zum Oberleichenbestatter von Mortropolis beworben hatte, war es da und beäugte jeden mit seinen drei häßlichen Augen, um Seirizzim, dem gefürchteten Chef der Einwanderungsbehörde, alles zu berichten. Selbst als Nabob im strömenden Flammenschauer stand, wußte er, daß überall ähnliche namenlose Gestalten im Schatten herumlungerten, um seine und Flagits Höhlen zu beobachteten. Anfangs hatte er sich sogar etwas geschmeichelt gefühlt, daß der verhaßte Seirizzim solch ein Interesse an ihm hatte, doch allmählich ging es ihm ganz schön auf die Nerven.
Irgendwo wurde einige Kilometer entfernt ein Hebel gezogen, ein Ventil öffnete sich, und ungeheure Mengen überhitzter Dampf schossen rasselnd durch endlos lange und in alle möglichen Richtungen verlaufende Rohre und traten mit einem pfeifenden Zischen aus unzähligen Öffnungen heraus. Die erste Schicht dieses Tages war vorbei, und jeden Augenblick würde wieder die Crash-hour losgehen.
Für einen kurzen Moment galt Nabobs Aufmerksamkeit der Menschenmenge, die vor ihm hertrottete und die wie ferngesteuert die Richtung änderte, um einem anderen unerreichbaren Ziel entgegenzuschlurfen. Überall um sich herum hörte er die qualvollen Schreie, sobald die Türen der Folterkammern aufgerissen und verbannte Seelen auf die Straße geworfen wurden, um sich dann quer durch die Stadt
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