Firkin 05 - Fahrenheit 666
quietschte Nabob vor Freude. Sterbliche! Pah, so leicht durchschaubar!
Alea blickte dem Schäfer in die Augen. »Ja. Findest du es etwa nicht komisch, daß er diese vielen Bücher mit sich herumschleppt?« fragte sie mit Unschuldsmiene und zeigte direkt auf Schimpf.
Nach den Blicken zu urteilen, fanden die Landbewohner das offensichtlich überhaupt nicht komisch. Genausowenig wie Schimpf, der es nach kurzer Einschätzung der Lage für sein allgemeines Wohlbefinden für angebrachter hielt, lieber auf Distanz zu gehen, und sich deshalb umdrehte und die Beine in die Hand nahm.
Sekundenbruchteile später stand Alea allein am Rande der Sanddüne, und jedesmal wenn sie aus der Ferne einen Ausruf wie »Hilfe!«, »Schnappt ihn euch!« oder »Los, schneller!« hörte, grinste sie verschlagen. Dann zog sie das rote Nachthemd hoch und verflüchtigte sich in Richtung der Abtei Synnia, um dort hinter einem geeigneten Busch zu warten.
In seiner Höhle hatte Nabob vor lauter Lachen bereits heftige Bauchschmerzen. Ach, es tat so furchtbar gut, böse zu sein!
Auf der anderen Seite von Mortropolis hatte im obersten Abstellraum der Gesellschaft für Transzendentalreisen mbH Hochwürden Pfarrer Götz von Öl der Dritte arge Probleme damit, tot zu sein. Dabei ging es ihm nicht um die Tatsache, daß er tot war, damit hatte er sich sogar einigermaßen abgefunden; das soll heißen, er hatte alles getan, sich als Neuankömmling einzurichten (besser spät als gar nicht), hatte für sich eine Totenmesse gehalten und sogar einige tröstliche Worte der Erinnerung an sich selbst gefunden. Und außer der Tatsache, daß er ein ausgebildeter Schlangenmensch hätte sein müssen, falls er in den nächsten Monaten eine Schulter brauchen sollte, um sich daran auszuweinen, war der einzige Haken daran, daß die Unterwelt eindeutig nicht seinen Erwartungen entsprach.
Also, oberflächlich betrachtet sah es hier folgendermaßen aus: düstere Beleuchtung, infernalische Hitze, überall die Schreie der zu ewigen Höllenqualen verdammten Seelen, laut brüllende und überall umherstampfende Teufel und Dämonen … na ja, lauter solche Sachen eben. Es gab dort sogar ein zirka ein Meter großes schwarzes Insekt, das im hintersten Winkel in einem Käfig hockte und Felsbrocken fraß. Es schien eine Art Haustier zu sein, und Götz bekam jedesmal eine Gänsehaut, wenn es nach vorn huschte, um ein Stück Granit aus der Wand zu reißen und es in einem Stück hinunterzuschlingen. Trotz alledem konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, daß etwas fehlte.
Sicher, es war alles andere als gemütlich hier unten, und wenn dieser Teufel mal wieder mit gedärmezerreißender Stimme ein Lied über seine granitfressende Stalagmilbe, eine absonderliche Mischung aus Stalagmit und Stallmilbe, zum besten gab, dann kam ihm zwar wirklich die Galle hoch, aber dennoch konnte er das alles nicht ernsthaft als infernalischen Kreislauf aus Qualen und Foltern bezeichnen. Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich gewesen wäre, dann fühlte er sich in Wirklichkeit sogar zu Tode gelangweilt.
»Ähm, was machst du da?« fragte er den Teufel, der sich ihm als Flagit vorgestellt hatte und der sich gerade über einen Haufen teuflischer Drähte beugte, die allesamt in einem großen Schwamm steckten.
»Ich bin beschäftigt. Hau ab!« murrte Flagit und starrte verwirrt die beiden bunten Steine an, die an den Enden der Drahtstränge baumelten.
Götz empfand das alles als äußerst merkwürdig, denn das ging nun schon so, seit dieser Dämon namens Nabob in der festen Überzeugung, etwas ganz Besonderes zu haben, seinem Artgenossen Flagit begeistert auf die Schulter geklopft hatte und mit den angesengten Überresten seines alten Scheitelkäppchens abgehauen war. Und dieser Kerl hatte sich nicht einmal bei ihm bedankt.
»Ich langweile mich«, beklagte sich Götz. »Hier ist einfach nichts los. Ich hatte gedacht, ihr Dämonen wärt immer wie der Teufel hinter den armen Seelen her.«
»Quatsch! Heute doch nicht! Schließlich ist Sündtag, Ruhetag also«, knurrte Flagit abfällig, ohne seine Schlitzaugen von dem komplizierten Gebilde zu nehmen. Geräuschvoll kratzte er sich mit der Zeigefingerkralle den Kopf, zuckte mit den gewaltigen Schultern und zog einen rubinroten Klöppel an Drähten mit zwei Saphiren und einem Opal vorbei, dann fädelte er einen Amethysten durch eine Schlinge und zog daran. Plötzlich stieß er einen Wutschrei aus, als sich das widerborstige Drahtgeflecht mit geradezu
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