Firkin 05 - Fahrenheit 666
bevor das Echo verklungen war, setzte er mit militärischen einhundertundzwölf Dezibel zu seinem Bericht an.
Daß die Lautstärke der wichtigste Aspekt bei der Berichterstattung war, gehörte zu den Dingen, die Barak über den militärischen Geist gelernt hatte. Der Inhalt war völlig unwichtig, nur die Lautstärke mußte körperlich spürbar sein. Man konnte den Wetterbericht von vorgestern vortragen oder sämtliche Baumarten eines tropischen Regenwaldes falsch aufsagen, ganz egal, solange man laut genug brüllte, waren alle glücklich und zufrieden.
»… gegenwärtiger Feuersbrunstzustand des Anwesens des Verstorbenen – rasendes Inferno. Verbleib von Waffen oder sonstigen Gegenständen, die zur Herbeiführung des Todes eingesetzt wurden – unbekannt. Präzise Todesursache – unbekannt. Anzahl der Augenzeugen – keine. Anzahl nutzbarer rattenfester Stiefel, die für den sofortigen Dienstgebrauch verfügbar wären – keine, General!« schrie Barak, der insgeheim die Daumen drückte, daß die Stimmbänder unter der Belastung nicht rissen.
»Ich will positive Nachrichten hören!« schrie Achonite.
»Unterbringung der üblichen Verdächtigen – Kerker zwölf bis einschließlich fünfzehn, General!« brüllte Barak, der vorschriftsmäßig fünfzehn Zentimeter über Achonites Kopf hinweg blickte.
»Dieser verdammte Schmied!« explodierte Achonite wie ein Vulkan, da er vor allem an den ganzen Pergamentkram dachte, den das nach sich zöge; Verdächtige verhören, Folterkammern reservieren lassen; Brennstoff zum Aufheizen der für die Folterung benötigten Feuereisen bestellen … Und außerdem mußte er noch eine Quelle für rattenfeste Stiefel ausfindig machen. Allmählich wuchs ihm alles über den Kopf. »Dem Schmied wird zeitaufwendige Inanspruchnahme der Schwarzen Garde zur Last gelegt sowie das Verschulden meiner schlechten Laune! Runter mit seinem Kopf!«
»Aber Herr General! Der Schmied ist doch bereits t …!«
»Papperlapapp! Runter mit seinem Kopf. Wo ist er überhaupt?« wollte Achonite wissen.
»Bei Ranzig, Herr General!«
»Ahaaa! Wie lange braucht dieser Leichenschänder denn noch? Ich will den Kopf des Schmieds!«
»Schwer zu sagen, Herr General!« grölte Barak. »Zwischen der Gabe der Wahrsagung und exakter Wissenschaft liegen nun mal Welten, erst recht wenn Ranzig damit zu tun hat.«
Achonite ließ die Fäuste auf den Tisch krachen, und als ein Schräger Vogel am Fenster vorbeiflog, warf er eine ganze Handvoll Kieselsteine nach ihm und zerschlug dabei versehentlich eine Fensterscheibe.
»Erstes Verhör!« knurrte er und stampfte wütend mit knirschenden Zähnen in Richtung Kerker Nummer zwölf.
Daß es schon einmal ein Sonnenstrahl geschafft haben soll, sich einen Weg durch den dichten Vorhang des unaufhörlichen Nieselregens zu bahnen und über Cranachan zu strahlen, war hier unten nur ein Gerücht. Tief im Innern der kaiserlichen Palastfestung ging das einzige Licht, das in dieser kalten Höhle schien, von Talgkerzen und einem kleinen Feuer aus.
Das war Ranzigs Labor, und es mußte kalt gehalten werden, denn das hier Aufbewahrte wäre bei Wärme verwest.
Flüsterte man vor vier Jahren jemandem den Namen Thor Ranzig ins Ohr, dann pflegte derjenige erschrocken zusammenzuzucken, wenn man aber ›der Exhumierer‹ flüsterte, dann fiel die Reaktion völlig anders aus. Furcht und Haß wären einem entgegengeschlagen, angereichert mit tiefstem Abscheu vor dem meistgesuchten Seriengrabräuber, der jemals in Cranachan sein Unwesen getrieben hatte. Viele haben versucht, seinen noch immer geltenden Rekord gewaltsam herbeigeführter Auferstehungen zu brechen, doch bislang hatte noch nie jemand Erfolg damit gehabt: Auf dem Höhepunkt seiner ›Karriere‹ buddelte Ranzig innerhalb einer Nacht drei Leichen aus ihrer letzten Ruhestätte … und zwar jede Nacht. Und das alles nur, um sie einige Tage später zurückzubringen, übersät mit fein säuberlich geschnittenen Seziernarben.
Fast ein Jahr lang veröffentlichte der Siegreiche Landbote täglich Listen über die neuesten Exhumierungen, und bei den Bürgern wuchs die Angst. Sie fürchteten sich vor etwas, das sie nicht verstanden … Warum machte er das?
Grabraub konnten sie noch verstehen; andauernd wurden irgendwelche Gräber oder Mausoleen aufgebrochen und geplündert, und jedes auch noch so wertlose Überbleibsel wurde geklaut.
Doch niemals ließ jemand die Leiche mitgehen!
Vor Ranzigs Schaufel war jedoch keine Leiche sicher. Ob
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