Firkin 05 - Fahrenheit 666

entnervt, dem wahrhaftig nicht nach Ratespielen zumute war. Erst recht nicht, wenn sein Gegner jemand war, der ein spürbares Vertrauen in die hellseherischen Kräfte von Kaninchen hatte.
    »Ach, wirklich? Verdammt, ich hätte mein ganzes Geld auf diesen Lustmörder Macke Tripper gesetzt. Der liefert einem Leichen ohne Ende.«
    »Nein, der kann’s doch gar nicht gewesen sein«, stellte Barak mit nachlassender Geduld klar. »Tripper bringt nur Mädchen um.«
    »Ach ja, natürlich! Ich Dussel! Schlacke Schmidt? Warum klingt das so vertraut?« grübelte Ranzig. »Ach! Du meinst Selbstm …?« keuchte er ungläubig. »O nein! Das ist Betrug!«
    »Idiot!« schimpfte Barak kopfschüttelnd. »Sorg dafür, daß er in zwei Stunden fertig zum Abholen ist. Anordnung von Achonite!« Barak stampfte mit dem Absatz auf, machte auf demselben kehrt und schlug mit einem Seufzer der Erleichterung die Tür hinter sich zu. Im Labor war ein süßlicher Singsang zu hören. »Na, komm schon, mein kleines Karnickel, sei schön brav. Tüttüttüttüt, komm, wollen wir doch mal sehen, was in deinem flauschigen Kuschelbauch so alles drin steckt, ja? Ich bin mir sicher, daß mir deine niedlichen kleinen Eingeweide viel Nützliches verraten werden. Komm schon …«
    Barak flüchtete.
     
    Manisch vor sich hin grinsend, als hätte er eine dieser neumodischen Designerdrogen genommen, blieb Flagit am Ende einer Sackgasse völlig außer Atem stehen. Eine dampfende Schweißschicht auf seiner Stirn glänzte mit der Goldborte des Scheitelkäppchens um die Wette. Teuflisch glucksend stellte er einen riesigen Käfig auf dem Felsboden ab, und auf eigenartige Weise aufrecht kniend, griff er hinein und zog ein etwa ein Meter langes schwarzglänzendes Insekt heraus, das mit grauenhaft langen Krallen ausgestattet war. Die aus grauer Vorzeit stammenden Vorfahren dieses Insekts waren nicht einmal einen Zentimeter lang gewesen, hatten eine weißliche Hautfärbung gehabt und sich ausschließlich von Käse ernährt. Über Generationen hinweg vermehrten sie sich an den Ufern des Phlegethon, und die dort herrschenden katastrophalen Umweltbedingungen hatten sie zu dem gemacht, was sie heute sind: mit einem Ektoskelett ausgestattete, zähnefletschende und granitverschlingende Stalagmilben.
    Flagit brauchte nur wenige Sekunden, um von dem primitiven Verstand des Insekts Besitz zu ergreifen und ihm seinen mächtigen Willen aufzuzwingen. Unzählige Stunden der Inbesitznahme von Obstfliegen, verbunden mit der verstärkenden Wirkung der Zauberdrahtkappe, machten es im wahrsten Sinne des Wortes zu einem dienstbaren Geist.
    Dann ließ er mit einem höhnischen Grinsen die Stalagmilbe auf den Boden fallen und beobachtete, wie sie die acht fünfundzwanzig Zentimeter langen schauerlichen Krallen spielen ließ, genüßlich mit den gut ein Dutzend Beißzangen knackte und sich die schon speicheltriefenden Kiefer warmbiß, um dann mit einem Riesensatz auf einen Felsvorsprung zu hechten. Augenblicklich war die Stalagmilbe in einem Schneesturm von Granitsplittern verschwunden, bohrte sich stürmisch durch das Felsgestein hindurch und hinterließ dabei ein rundum zerklüftetes großes Loch, das direkt nach oben führte.
    Flagit grinste, ließ nun seinerseits die Krallen erwartungsvoll spielen und hechtete der Stalagmilbe hinterher.
    Dreihundert Meter darüber hatte sich in einer schmalen Gasse im unteren Teil von Cranachan eine kleine Menge Schaulustiger versammelt, um sich das Inferno anzusehen. Die Flammen hoben sich von dem gezackten Loch im dunklen Schieferdach der Schmiede wirklich gut ab und bildeten zu dem nächtlichen Himmel einen hübschen Kontrast.
    »Haut ab! Hier gibt’s nichts zu sehen!« rief ein klotziger Offizier der Schwarzen Garde, der hinter einem blau-schwarzen Absperrseil stand.
    »Aber natürlich gibt’s was zu sehen!« widersprach ein kleines Mädchen aus der Menge. »Zum Beispiel gibt’s alle diese hohen Flammen zu sehen, und dann bist du noch da und dieses Seil – das ist doch alles brennend interessant!«
    »Jaja, sicher. Aber abgesehen davon gibt’s wirklich nichts zu sehen. Also, haut endlich ab«, beharrte der Gardeoffizier.
    »Nein. Ich will die Leiche sehen …«
    Tief in der lichterloh brennenden Schmiede bewegte sich etwas. Aus dreihundert Meter Tiefe hatte es sich Zug um Zug nach oben gehangelt und genoß nun das angenehme Züngeln der unverfälschten Flammen auf der schuppigen Haut, und vor lauter Vorfreude auf neue Sünden glühte es am ganzen