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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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zurückgeführt. Wobei Soldat Abkrieger schwer unter dem Gewicht diverser Satteltaschen voll Lemmingartikeln gestöhnt hatte.
    Das war gestern gewesen. Und jetzt, nach einer viel zu kurzen Nacht, in einem Zustand, in dem jeder von ihnen einige hundert Tassen starken schwarzen Kaffee gebraucht hätte – jetzt klopfte Vizehauptmann Schikaneder, Rittmeister der 6. Division der Reichsgarde, schüchtern an die zwei riesigen Eichenholztüren, die Türen der Handelskammer. Er zählte bis drei, ließ die mächtigen Messingringe gegen das Holz fallen und stolperte, gefolgt vom der Rest der 6. Division, in den Sitzungssaal. Es geschah nicht oft, daß die 6. Division zu einer persönlichen Audienz bei König Erdrosselbart antrat und ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Jeder von ihnen wäre außerordentlich glücklich gewesen, wenn dieses seltene Ereignis nicht ausgerechnet heute hätte stattfinden müssen.
    Aber wenn die Audienz so verlief, wie Schikaneder befürchtete, dann wäre es mit ziemlicher Sicherheit sowieso ihre letzte gewesen.
    »Hoheit, hochverehrte Mitglieder des Kabinetts«, wisperte Schikaneder. Die Torturen einer zwei Wochen lang dauernden Trepanation schienen lächerlich verglichen mit der geistig-körperlichen Verfassung, in der er sich befand. »Melde gehorsamst: Auftrag, ähem, ordnungsgemäß ausgeführt.« Die letzten Worte flüsterte er noch um einiges leiser als den vorangegangenen Teil der Sentenz. Wie auf Kommando setzten die Männer der 6. Division ihre Fracht auf dem spiegelblanken Marmorboden ab. Ein diesig-schwarzes Wölkchen stieg unheilkündend aus den Satteltaschen auf.
    »Alle aus der Verarbeitung von illegal importiertem Nutzvieh Klammer auf Nagetiere Klammer zu stammenden Erzeugnisse akquiriert und retourniert, Sire.« Er salutierte schlapp – erst vor dem König, dann vor dem Obersten Chef des Ministeriums für Sicherheit und Kriegsführung. Tief drinnen, in den tiefsten Tiefen seines Herzens, war ihm zumute wie einem Wassertropfen, der sich unvorsichtigerweise auf eine heiße Herdplatte gewagt hatte.
    »Ausgezeichnet.« Der König beugte sich vor, um besser sehen zu können.
    »Irgendwelche Widerstandsaktionen?« schnauzte der sehr Verheerenswerte Thatarr.
    »Keine, Verheerenswertester.« Schikaneder schluckte aufgeregt.
    »Nicht einmal eine klitzekleine nette Keilerei?«
    »Nichts, Verheerenswertester.« Schikaneder starrte auf einen Punkt knapp zehn Zentimeter über dem Kopf des Obersten Chefs des Ministeriums für Sicherheit und Kriegsführung. Äußerlich war nur eine winzige Andeutung jener entsetzlichen Angst zu sehen, die ihn quälte: eine Ader pochte rhythmisch auf seiner Stirn. Hätte er die Zeit zurückdrehen können, er wäre zu jenem Moment zurückgegangen, als Trup geäußert hatte: »Es mag ja vielleicht unerheblich sein, Hauptmann, aber, was unseren Befehl angeht … Denkt Ihr nicht, daß damit Akquirieren und Retournieren intakter Erzeugnisse aus der Verarbeitung illegal importierten Nutzviehs Klammer auf Nagetiere Klammer zu gemeint war…? Ist alles in Ordnung mit Euch, Hauptmann? Ihr seid plötzlich so blaß.« Er hätte Trup irgendwie ablenken können, er hätte ihn verletzen oder notfalls auch umbringen können. Er hätte auf irgendeine Weise verhindern können, daß diese beiläufige Bemerkung gemacht wurde, und stünde jetzt unbefangen vor dem Cranachischen Rat und wäre sich der ungeheueren Diskrepanz gar nicht bewußt, die zwischen den Erwartungen der Ratsmitglieder und der furchtbaren Realität bestand, die jetzt ans Tageslicht sollte.
    Thatarr war begeistert von Schikaneders leichtem Sieg. »Sieht mir ganz so aus, Hoheit, als hätten diese erbärmlichen Kreaturen in Isolon schließlich doch einsehen müssen, daß sie der Überlegenheit unserer Streitmacht nichts entgegensetzen können!« Seine Augen schwenkten seitwärts, er flüsterte Schikaneder zu: »Gut gemacht, alter Knabe. Könnte eine anständige Belohnung für dich rausspringen.«
    Schikaneder rannte schreiend und wild mit den Armen fuchtelnd aus der Ratskammer. Zumindest sein Verstand tat das. Tatsächlich aber schluckte er lediglich langsam und in höchstem Maße verängstigt. So, wie jemand schluckt, den man eben davon in Kenntnis gesetzt hat, daß in seiner Hose eine pfundschwere Ladung TNT versteckt ist.
    Die Ader auf seiner Stirn pulste ein klein wenig lebhafter.
    Der Minister des Innern rieb sich leise und gierig die Hände.
    »Sire«, hob er an. Er sprach mit dem Pathos eines Mannes,

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