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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten von historischer Bedeutung planlos durch fremde Städte irren läßt, und deren Faustregel etwa folgendermaßen lautet: ›Stiefeln Sie einfach aufs Geratewohl drauflos, und zwar so lange, bis Ihnen irgend etwas, ganz gleich was, bekannt vorkommt.‹ Unglücklicherweise erwies sich dieses Verfahren in ihrem Fall (Firkin und Hogshead suchten etwas, von dem sie weder wußten, wie es hieß, noch wie es aussah) als absolut unzweckmäßig und schlechthin kontraproduktiv. Sie mußten eine Vorgehensweise finden, die es ihnen ermöglichte, ein klein wenig gezielter zu suchen. Und da sie ein Wirtshaus suchten, eine Einrichtung, deren ausschließlicher Unternehmenszweck es war, eine durstige und/oder alkoholsüchtige Kundschaft mit Wein, Schnaps und nie versiegenden Bierströmen zu versorgen … Vielleicht war es ein gangbarer Weg, zunächst einmal Strömungsrichtung und Intensität der durch die Luft übertragenen Alkoholdünste zu ermitteln, dann entgegengesetzt zum Schwundgradienten der Dünste zu marschieren; vielleicht war es so möglich, nach kurzer Zeit schon ihren Ursprungsort zu entdecken und am Ziel anzugelangen. Sie zogen los. Immer der Nase nach.
    Die Sache war nicht so einfach, wie sie gedacht hatten. Guldenburg war voller Gerüche, voll mannigfaltiger, gegensätzlicher und – schlimmer noch – ekelerregender Gerüche. Der Versuch, ausschließlich einem dieser Gerüche zu folgen, erwies sich als außerordentlich schwierig. Sie irrten durch dunkle Seitengassen, die sich an den Stadtmauern entlangzogen, beschleunigten jedesmal ihre Schritte, wenn sie an einer Gruppe höhnisch grinsender Mordbrenner vorbeigehen mußten, die merkwürdiges Zeug inhalierten, dessen geheimnisvoll bläulicher Rauch auf eine Art und Weise in der Luft hing, die geradezu locker und entspannt wirkte. Einige Male mußten sie, wenn sie wieder einmal in eine Sackgasse geraten waren, umkehren und denselben Weg zurückgehen – was ihnen vor allem dort des öfteren passierte, wo Gassen und Seitenstraßen an der Stadtmauer endeten. Und immer und ohne Ende wuselten ihnen Ratten um die Füße, die zu unbekannten Zielen unterwegs waren, und nie erstarb das Summen und Brummen um sie her, das von der lebhaften Betriebsamkeit in den Gebäuden am Straßenrand kündete. Von einem Leben in Häusern, in denen es von Kakerlaken wimmelte, wo auf ein Wirbeltier hundert Bewohner kamen, die wesentlich weniger Rückgrat aufzuweisen hatten.
    Und als Firkin und Hogshead schließlich wieder einmal erschöpft in eine andere, ansonsten aber ebenso abstoßend wirkende Seitenstraße einbogen, sahen sie vor sich, auf der rechten Straßenseite, ein Haus, aus dem ihnen unerwartet lauter Lärm entgegenschallte: rauhes Lachen, gelegentlich das klirrende Scheppern von zerbrechendem Glas, wüstes Geschrei und tief darunter ein dumpfes rhythmisches Pulsen.
    Über der Tür hing ein ramponiertes, im höchsten Maß reparaturbedürftiges Schild. Wenn man die Augen zusammenkniff und angestrengt ins Düstere schielte, konnte man die Aufschrift gerade noch entziffern: Zum Silbernen Spucknapf.
    Angeblich war diese Namensgebung Resultat einer unglückseligen Verkettung gewisser Ereignisse, zu der es durch die Zusammenarbeit eines an Leseschwäche und teilweiser Taubheit leidenden Schildermalers, eines betrunkenen Amateurhistorikers und durch die zwar aufrichtige, im gegebenen Fall aber eher unpassende monarchistische Gesinnung des damaligen Gastwirts gekommen war. Dieser Gastwirt hatte beabsichtigt, seiner Verehrung für den König dadurch Ausdruck zu verleihen, daß er sein eben renoviertes Lokal in entsprechender Weise umbenennen wollte. Er hatte sich dunkel an jene Legende erinnert, derzufolge Könige zum sichtbaren Zeichen ihrer Würde mit irgendeinem Ding zur Welt kamen. Daß dieses Ding aus Silber war, das wußte er noch. Was es war, das war ihm entfallen. Weswegen er sich bei einem Freund (Amateurhistoriker und approbierter Trinker) Rat holte, der ihm versicherte, daß er das natürlich wisse. Woraufhin der Gastwirt ein neues Schild in Auftrag gab und sein Lokal umbenannte.
    Der König war anwesend, als im Rahmen einer würdigen Zeremonie das neue Schild feierlich enthüllt werden sollte. Leider war an diesem Tag nicht alles so verlaufen, wie es geplant gewesen war. Nachdem der Gastwirt eine einigermaßen annehmbare Ansprache gehalten hatte, war er stolz zur Enthüllung geschritten. Daraufhin war dem König der Mund offenstehen geblieben,

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