Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
wirksamere Methoden entwickelt, durch die sich taktische Vorteile erzielen ließen; verbesserte Herstellungsverfahren ermöglichten die Produktion größerer, wirkungsvollerer und schwererer Waffen; zur Steigerung militärischen Könnens und soldatischer Tapferkeit waren spezielle Trainingsprogramme entworfen worden, die mittlerweile weite Verbreitung gefunden hatten.
    Unglücklicherweise scheint ein vergreisender Geist eine ganz bestimmte Eigenheit nie zu verlieren: die Fähigkeit, sich zu empören, diese Empörung als ›gerechten Zorn‹ zu verstehen und zäh daran festzuhalten. Wenn mit zunehmendem Alter überhaupt noch etwas ›zunimmt‹, dann diese Eigenheit. Und zwar in außerordentlichem Maße. Und Empörung kann eine gewaltige Kraft sein.
    Wie im Fall der Kriegsherren von Isolon ersichtlich: Nachdem ihnen zweiundzwanzig Jahre lang jede auch nur im entferntesten kriegerische Betätigung verwehrt gewesen war, reagierten sie jetzt wie ein in den Stall gesperrter Renngaul, der sich in die Trense verbeißt und nervös mit den Hufen scharrt – sie lechzten danach, bei der erstbesten Gelegenheit die Fackel des Krieges zu entzünden. Was sie auch taten und sich dabei böse die Finger verbrannten.
    Zum ersten Mal nach zweiundzwanzig Jahren durften die Kriegsherren wieder erleben, was es bedeutet, Macht zu haben. Und was es bewirkt. Wie jedes anständige Suchtmittel stieg ihnen dieses Erlebnis blitzschnell und unmittelbar zu Kopfe: Sie schikanierten jeden, der ihnen unter die Augen kam, oder gingen ihm, wenn nötig, um den Bart; schickten Anweisungen mit höchster Dringlichkeitsstufe an diejenigen, die sie nicht fortwährend im Auge behalten konnten, und setzten so die vor sich hinrostende Kriegsmaschinerie schlagartig wieder in Bewegung. Es war ein Kaltstart, bei dem das Getriebe einige Male protestierend aufjaulte.
    Blind vor Empörung stießen die Kriegsherren den Schlachtruf aus, ließen dem Chaos seinen Lauf und die Truppen von Isolon los. Zweieinhalb Minuten später mußten sie sehen, wie Isolons stolze Söhne zu Paaren getrieben wurden, und Batteur schwante, daß es vielleicht doch ein Fehler gewesen sein mochte, das Abonnement für seine Monatszeitschrift Der Stratege nicht verlängert zu haben.
    Aber wenigstens, dachte er sich, als man ihn nach Cranachan schleifte, ist damit klar, daß wir gar nicht gewinnen konnten. Woher hätten wir denn auch wissen sollen, daß wir zahlenmäßig unterlegen waren, daß wir mit der falschen Taktik und mit den falschen Waffen kämpften und ergo von vornherein auf der Verliererseite gestanden hatten?
    Die Cranachier hatten mit Hilfe eines brillanten taktischen Schachzugs einen außerordentlichen Sieg errungen. Alles war wie geplant abgelaufen:
    Als die konzentrierte, bis an die Zähne bewaffnete, angriffsbereite Streitmacht von Isolon in geschlossener Formation durch ein ganz besonders enges Tal marschierte, war ein einzelner cranachischer Infanterist hurtig hinter einem kleinen Wacholderbusch hervorgesprungen und hatte (indem er sich der in aller Welt verständlichen Universalsprache der Pantomime bediente, deren Regeln in der Genever-Konvention [x] niedergelegt sind), ein komplette, anrückende Armee angehalten. Er hatte zu den Bergwänden hinaufgezeigt und so – wie eine Stewardeß, die die Passagiere über die Lage der Notausgänge informiert – die kollektive Aufmerksamkeit der isolonschen Streitmacht während der ganzen Zeit ihres Marsches durch das Tal dirigiert und auf die cranachischen Soldaten gelenkt, die nach und nach und in immer größerer Zahl auf den Felswänden aufgetaucht waren. Eine anschauliche Darbietung zur Demonstration der Stärke durch nackte zahlenmäßige Überlegenheit, durchgeführt zu dem einen und einzigen Zweck: Sie sollte Eindruck machen. Sie hatte Eindruck gemacht: Das militärische Äquivalent des Lampenfiebers erfaßte die Reihen der isolonschen Truppen, sie winselten, bebten und gaben sich schließlich geschlagen.
    Der Verheerenswerte Thatarr sah es mit ungeheuer Genugtuung: ein leichter Sieg über diese rückgratlosen Kreaturen, sagte er sich. Ich frage mich, wie sie es überhaupt wagen können, sich zur Klasse der Wirbeltiere zu zählen. Es war beinahe wie ein Feiertag: Nach den Wochen der Vorbereitung und Planung, nach den Tagen, an denen man wie ein kopfloses Huhn hin und hergerannt war – es hatte nur zweieinhalb Minuten gedauert, und alles, was übriggeblieben war, war einzig und allein die Erinnerung daran, daß es einmal einen

Weitere Kostenlose Bücher