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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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passiert. Du hast lieber ein bisschen Spielraum, dann bist du beruhigt und fühlst dich sicher, auch wenn du halbe Nachmittage auf Flughäfen und in Bahnhöfen herumsitzt, genau wie deine Mutter, wenn sie schon zwei Stunden vor dem Termin in der Arztpraxis ist. Du und deine Mutter, ihr seid euch so ähnlich, nur die Orte sind verschieden, an denen ihr wartet, die Hände im Schoß. Du hast das Gefühl zu ersticken.
    Von hinten hörst du plötzlich das infernalische Knattern eines voll aufgedrehten Rollers. Jetzt ist er auf Höhe des Taxis, taucht an deinem Fenster auf und bremst ab. Du schaust nicht sofort hinaus, sondern holst erst mal tief Luft, sammelst dich und überlegst, was Fiorenzo hier will. Dir einen letzten Abschiedsgruß schicken, dich beschimpfen, dich doch noch überreden zu bleiben? Du drehst den Kopf. Sechstausend verschiedene Gefühlsregungen spiegeln sich in deinem Gesicht, und endlich schaust du ihn an.
    Es ist nicht Fiorenzo. Es ist einer von diesen Halbstarken, die zeigen wollen, was ihr Roller hergibt. Er überholt das Taxi, reißt den Lenker hoch und verschwindet auf dem Hinterrad aus deinem Leben. Du atmest erleichtert auf, alles in Ordnung, vor dir liegt die leere Straße.
    Aber wie ist es eigentlich, Tiziana, was würdest du jetzt sagen? Ein Glück , dass es nicht Fiorenzo war, oder schade , dass er es nicht war. Beides gleichzeitig geht nicht, das weißt du selber. Weißt du es wirklich, Tiziana?
    Nein, in diesem Augenblick weißt du gar nichts. Und aus irgendeinem Grund fällt dir plötzlich jener Sonntag im Juni wieder ein, als ihr zusammen nach Viareggio gefahren seid. Ein Kunde aus dem Angelladen betreibt dort am Hafen ein Restaurant und hatte Fiorenzo immer wieder eingeladen Komm mich besuchen, Fiorenzo, ich werde dich gut bewirten . So gegen neun wart ihr da, es war noch nicht ganz dunkel, aber das Restaurant hatte geschlossen. Ruhetag. An einem Sonntag im Sommer in Viareggio. Und dann hat es angefangen zu regnen. Einer dieser plötzlichen Gewitterregen an der Küste, wo es zehn Minuten lang gießt wie aus Kübeln, ein sturzbachartiger Regen, der im Nu alles unter Wasser setzt.
    An einem Kiosk an der Mole verkaufte ein Chinese frittierten Fisch, ihr habt zwei Tüten Garnelen und Tintenfischringe genommen, die hart waren wie Gummi, und habt euch unter die Markise eines Ladens für Bootsmotoren geflüchtet, um auf dem Zeug rumzukauen. Fiorenzo sagte, sein Traum sei es, sich ein Boot zu kaufen und damit übers Meer zu schippern, und du hast ihn daran erinnert, dass er doch schon davon träumte, mit seiner Band berühmt zu werden. Er meinte, ja klar, aber es sei besser, mehr als nur einen Traum zu haben, denn das Leben sei ein Lotteriespiel: Je mehr Lose man hat, desto größer sei die Gewinnchance.
    Ein Satz, der dir jetzt bemerkenswert erscheint, aber damals hast du das nicht gecheckt. Und dann zählte Fiorenzo auf, was er auf seinem Boot alles machen will. Er hatte sogar schon einen Namen, den du aber vergessen hast. Auf jeden Fall brauche er eine Kochstelle, um die frisch gefangenen Fische zu braten, und Weißwein, der gut zum Fisch passt. Er würde seine ganze freie Zeit auf dem Mittelmeer verbringen, jeden Tag woanders. Und während er erzählte und erzählte, fiel dir irgendwann auf, dass in Fiorenzos Zukunftsplänen, so banal und unausgegoren sie sein mochten, du gar nicht vorkamst. Er sagte immer nur ich laufe, ich fahre, ich hole, und du hast es bedauert, dass nur er auf diesem Boot sein würde.
    Er zählte immer weiter all die Fische auf, die er fangen wollte – Bonito, Seehecht und Makrelen, Brassen, Doraden, Bastardmakrelen und Marmorbrassen und Roten Knurrhahn und …
    »Aber jetzt angelst du dir erst mal einen Tintenfisch!«, hast du gesagt und mit einem frittierten Tintenfischring genau auf seine Nase gezielt. Es kam dir ganz spontan in den Sinn, du warst selbst überrascht, dann hast du angefangen zu lachen.
    »Spinnst du? Mein Destruction-T-Shirt! Das Öl geht nie mehr raus!« Das T-Shirt war schwarz, was sonst, darauf ein Metzger, Wahnsinn im Blick und ein Schlachtermesser in der Hand. »Siehst du, es ist versaut, für immer!«
    »Vorher sah es auch nicht viel besser aus.«
    Fiorenzo musterte dich wortlos, presste die Tüte mit dem rechten Arm gegen die Brust, fischte eine Garnele heraus und warf sie dir ins Gesicht.
    So begann eure Schlacht mit den frittierten Meeresfrüchten, und im Getümmel habt ihr sogar die schützende Markise verlassen. Es goss in Strömen, und

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