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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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auf einem Hocker und hatte die Ellenbogen auf die Knie gestemmt. Er blickte sie an und lächelte. Die dunklen Bartstoppeln machten sein Gesicht noch breiter, als es ohnehin schon war. Ja, wirklich, er lächelte. Was für ein Schwein.
    «Siehst du, jetzt hast du mich auch noch gesehen. Und der andere hier», er zeigte auf einen schlaksigen Kerl, der mit verschränkten Armen in der Ecke bei der Tür stand, «der ist eine Art Assistent von mir. Er heißt Armin. Aber es ist nicht so wichtig, dass du dir seinen Namen merkst. Du wirst ihn sowieso bald vergessen haben.»
    «Weil Sie mich bald töten werden, stimmt es?»
    «Nein, eigentlich haben wir das nicht vor. Gesa, kennst du dich mit Computern aus?»
    Was sollte das denn jetzt? Gesa schloss wieder die Augen. «Natürlich kenne ich mich damit aus. Nun erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht genau wissen, dass wir bei Liekedeler mit Computern arbeiten.» Sie war es leid. Der Kopf tat mit geöffneten Augen genauso weh wie mit geschlossenen. Und er tat höllisch weh.
    «Dann weißt du ja, was eine Festplatte ist.»
    Gesa nickte, nicht zu heftig, denn die Bewegung im Nacken strömte wie ein elektrischer Schlag in ihre Stirn.
    «Du weißt, dass man bei einem Computer alle Daten löschen kann. Wenn alles durcheinander läuft und man ständig Fehlermeldungen auf dem Bildschirm findet, dass ein Pfad nicht gefunden wurde oder eine Datei beschädigt ist oder ein Virus   …»
    «Sie sprechen von mir, nicht wahr?», unterbrach Gesa seine Rede und versuchte sich aufzusetzen. Der Schlaksige eilte zu ihr und half ihr ein wenig, bis sie endlich saß.
    Der Psychologe blickte sie an, zum ersten Mal ohne dieses sonderbare Lächeln im Gesicht. Zum ersten Mal blickte er sie ernst und vielleicht auch ehrlich an. «Ja, ich rede von dir.»
    «Sie wollen meine Festplatte löschen, stimmt’s?»
    Der Mann nickte.
    «Weil ich nicht mehr richtig funktioniere und zu viel gesehen habe. Sie glauben, ich habe zu viele Daten gespeichert, die Sie lieber gelöscht hätten. Ist es so?»
    «Ja», sagte er nur. Dann schwiegen sie ein paar Sekunden, nur der Schlaksige räusperte sich hilflos. «Wir brauchen dich nicht zu töten, Gesa. Wir wollen dich auch nicht töten. Verstehst du? Wie beim Computer: Die Hardware bleibt unberührt, nur die Software wird vernichtet.»
    Gesa verstand genau, was er meinte. Sie schob die Gedanken in ihrem Kopf hin und her, soweit sich nicht diese heftigen Schmerzen in den Weg stellten. Sie brauchte nicht lange, um an diesem Plan Gefallen zu finden. «Was ist mit der Zeit, als ich noch ganz klein war?»
    «Alles weg!», sagte der Psychologe nur.
    «Und alles, was ich gelernt habe? Nur das Einfachste, zum Beispiel Lesen und Schreiben und Rechnen und so?»
    «Das wirst du neu lernen müssen, Gesa. Aber es wird leichter sein als beim ersten Mal, denn die Verbindungen in deinem Gehirn, wir Fachleute nennen es Synapsen, die sind ja schon gelegt. Die Wege, die sich das Wissen in deinem Kopf neu suchen muss, sind sozusagen schon geebnet. Es wird nicht lange dauern und du kannst alles genau wie vorher. Wie bei einem   …»
    «…   Computer. Ja, das hatten Sie bereits gesagt.» Keine Erinnerung mehr, keine Wut mehr auf die verlorenen Tage auf dem Hof und darüber, dass sie so viele Dinge verpasst hatte. Vielleicht war das gar nicht schlecht! Dieser Arzt, oder was auch immer er war, wusste gar nicht, dass er ihr sogar einen Gefallen tun würde. «Was ist mit den Schmerzen?»
    «Der Eingriff wird nicht wehtun, das verspreche ich dir!»
    «Nein, diese Schmerzen meine ich nicht. Ich meine diese verdammten Kopfschmerzen. Gehen die weg? Für immer?»
    Der Mann stand auf und sie konnte ihm ansehen, dass er sich quälte. Er zog die Stirn in Falten und rieb sich mit der Hand fest durch den Bart. «Gesa, lass mich ehrlich sein: Ich kann es dir nicht versprechen. Du warst eines der ersten Liekedeler-Kinder und wir haben dir ein paar, nun, wie soll ich es sagen, ein paar medizinische Lernhilfen gegeben, die dir das ewige Pauken ein wenig leichter machen sollten.»
    «Sie haben mir Pillen gegeben. Aha!», sagte Gesa nur kurz. Esinteressierte sie nicht wirklich. Sie wollte nur wissen, ob dieser Mann ihr die Schmerzen aus dem Gehirn kratzen konnte. Das war das Einzige, was sie interessierte.
    «Ja, nun ja, wir sind ein großes pharmazeutisches Institut, in dem Medikamente entwickelt werden, die eine Auswirkung auf die Gehirnfunktionen haben. Und unser Ziel ist es, ein Mittel zu finden, das allen

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