Fischerkönig
einzelnen ›Hms‹ zu interpretieren. Perfekt war sie noch nicht.
»Und sonst? Hatte er Feinde?«
»Also, was einige ihm übel genommen haben: dass er das Lichterfest abschaffen wollte«, erläuterte der Dicke. Heiko zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Der Walter war ja auch Ortsvorsteher.«
»Ortsvorsteher?«, fragte Lisa verständnislos.
»Sozusagen Bürgermeister vom Dorf«, erläuterte Heiko.
»Und in seiner Rolle als Ortsvorsteher hat er eben laut darüber nachgedacht, ob man das Lichterfest nicht abschaffen sollte, weil es in den letzten Jahren ein paarmal geregnet hat und das Ganze ein totales Fiasko war.«
»Aber das kann er doch nicht ernst gemeint haben!«, ereiferte sich nun sogar Heiko. »Das Lichterfest ist eine Institution! Das kann man nicht so einfach abschaffen!« Der Dicke haute mit der flachen Hand auf den Tisch, dass das Bier in den Gläsern schwappte. »Das finde ich auch. Aber der Walter war halt so. Der wollte seine Ideen immer durchdrücken.«
»Vielleicht ist ihm ja grade das zum Verhängnis geworden«, gab Wegner zu bedenken.
»Vielleicht«, meinte Heiko unverbindlich. »Fällt Ihnen sonst noch was ein?« Nach einer Weile schüttelten die Herren einvernehmlich die Köpfe. »Na, dann bedanken wir uns recht schön«, meinte Heiko, und er und Lisa erhoben sich, setzten sich zurück an ihren eigentlichen Platz und widmeten sich endlich dem schon etwas lauwarmen Kaffee und dem auch nicht mehr ganz so eisigen Eiskaffee. »Na, was denkst du?«, fragte Heiko seine Freundin, die nachdenklich an ihrem Röhrchen schlürfte und gedankenverloren im Vanilleeis stocherte. Lisa leckte sich die Lippen, bevor sie antwortete. Die schönen, vollen, küssenswerten Lippen. Heiko drückte einen flüchtigen Kuss darauf. »Also, wenn du mich fragst, ist es etwas verwunderlich, dass Frau Morgner gar nichts von der Verflossenen erzählt hat.« Heiko nahm einen Schluck Kaffee. Obwohl er nicht mehr ganz heiß war, war er gut und stark. »Na ja«, gab er zu bedenken, »für die steht eben der Mörder schon fest.«
»Du meinst die MörderIN«, korrigierte Lisa. »Beziehungsweise diejenige, die den russischen Auftragskiller angeheuert hat.«
Heiko grinste. »Also, das ist schon reichlich abstrus.«
Lisa zuckte die Schultern. »Bei aller Toleranz aber immerhin eine Möglichkeit, das musst du zugeben.«
»Na. Sind ja auch nicht alle Italiener bei der Mafia.«
»Aber manche«, beharrte Lisa. »Ich bin bestimmt der letzte Mensch auf der Welt, der mit Menschen mit Migrationshintergrund ein Problem hat.« Heiko blinzelte. Ach ja. Menschen mit Migrationshintergrund. Das war der neue Begriff, den man als Beamter benutzen musste, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, als latenter Nazi abgestempelt zu werden. Dabei kannte Heiko keinen einzigen Ausländer, der sich selbst als ›Mensch mit Migrationshintergrund‹ bezeichnete. War auch kein Wunder, da war ja der Tag vorbei, bis man das ausgesprochen hatte. Und Lisa war ganz bestimmt nicht ausländerfeindlich, immerhin zählten zum Kreis ihrer Exfreunde ein Latino und ein Araber, woraus unter anderem ihre hervorragenden Fremdsprachenkenntnisse resultierten. »Es gibt aber durchaus solche Strukturen in manchen Volksgruppen, das musst du zugeben«, beharrte Lisa. Heiko brummte. Konnte alles sein, oder auch nicht. »Jedenfalls ist diese Frau Hegenbach interessant, oder findest du nicht?« Lisa bestätigte durch Nicken und schlürfte wieder Eiskaffee. »Lass uns doch grad noch kurz bei der vorbeigehen.« Der Kommissar brummte. »Oder hast du eine bessere Idee?«
»Feierabend?«, schlug Heiko, halb im Spaß, vor.
»Komm, das packen wir noch«, bestimmte Lisa.
Eine halbe Stunde später standen die beiden vor dem Haus von Lilli Hegenbach, das nicht weit von dem der Morgnerin gelegen war. Der Himmel hatte sich inzwischen leicht zugezogen, weiße Wolkenfetzen waberten umher, und trotzdem waren das Vogelgezwitscher und das Zirpen der Grillen allgegenwärtig. Schon etwas verdächtig, dass die Frau gänzlich unerwähnt geblieben war. Nun, wenn es sich dabei um beste Freundinnen handelte, war es andererseits verständlich, dass die eine die andere nicht bei der Polizei anschwärzen wollte. Heiko und Lisa betrachteten die moderne Haustür, die so gar nicht zu dem quaderförmigen kleinen 50er-Jahre-Haus passen wollte. Im Vorgarten war allerlei Dekokitsch aufgestellt, mal mit mehr, mal mit weniger Geschmack. Die Türmatte war mit dem Namen der Bewohnerin bedruckt. In
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