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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Schnörkelschrift. Wie einfallsreich, dachte sich Lisa, und ein klein bisschen tat ihr die Frau leid. Sie hatte so eine Ahnung, dass es sich da um eine sehr unglückliche Person handeln musste. Wie die Alte in Muele de San Blas. Als sich nichts tat, trat Lisa einen Schritt zur Seite und blickte durch das Fenster in den erstbesten Raum hinein. Es dauerte einige Sekunden, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Was sie aber dann sah, veranlasste Lisa, augenblicklich Heiko zuzurufen, er solle die Tür eintreten, während sie ihr Handy zückte und eine Nummer wählte.

    Die Tür flog mühelos aus dem Schloss. Mit einer Hand an der Dienstwaffe stürmten die beiden in den Raum, der durch das Fenster einsehbar gewesen war. Es handelte sich um die Küche. Es war eine alte Küche, in Beige, mit orangegrünen Ranken auf den Fliesen und hellen Massivholzfronten. Ein Küchentisch mit einer langweiligen Wachstischdecke stand zentral im Raum. Und auf dem hellen gefliesten Boden lag eine Frau. Auf den ersten Blick schien sie tot zu sein. »Den Notarzt bitte«, sagte Lisa gerade in ihr Handy, während sich Heiko neben den leblosen Körper kniete und am Hals nach einem Puls fühlte. Lisa nannte die Adresse und sah gleichzeitig fragend Heiko an. Der nickte aufgeregt und bedeutete, dass die Frau noch am Leben war. »Machen Sie schnell«, sagte Lisa, bevor sie noch ein paar Informationen gab und dann auflegte.

    Die Minuten vergingen, und der Atem der Frau flatterte, aber ihr Puls ging regelmäßig. Lisa betrachtete die Liegende. Sie war früher einmal sicher hübsch gewesen. Nun war sie ausgezehrt, in jeder Hinsicht. Gram und Kummer hatten ihre Haltung gekrümmt, das war sogar jetzt, im Liegen, zu erahnen. Dunkelgraue Strähnen hatten sich aus ihrer sonst sehr ordentlichen Frisur gelöst. Die Hegenbacherin trug ein Twinset, das an jeder anderen Frau adrett gewirkt hätte. An ihr sah es irgendwie trist aus. Die Frau, auch die ganze Wohnung, schien eines auszustrahlen: Warten. Warten auf das Glück. Auf das Leben. Wie tragisch, fand Lisa.

    Minuten später beugte sich ein junger Mann im hellroten Kittel des Notarztes über die am Boden liegende Frau. Seine drei Assistenten standen mit großen Taschen in den Händen herum. Der Mann zückte eine Taschenlampe und öffnete eines der Lider der Frau, um ihr dann ins Auge zu leuchten. Er schien nicht völlig zufrieden, aber auch nicht gänzlich beunruhigt. »Also toll ist das nicht«, urteilte er dann. Einer der Rettungshelfer hatte ein Päckchen von der seitlichen Ablage erbeutet und reichte es dem Arzt. ›Dormiben‹, las der. Auf den Zügen des jungen Arztes zeichnete sich nun doch Besorgnis ab. »Wir müssen schnell sein! Infusion!«, wies er an und gefühlte drei Sekunden später tröpfelte eine klare Flüssigkeit in den Kreislauf der Patientin. »Frau Hegenbach? Hören Sie mich?«, fragte der Notarzt sehr laut. Die Lider flatterten unstet, aber eine echte Reaktion blieb aus. »Wird sie es schaffen?«, fragte nun Lisa. Auch Heiko hoffte es inständig. Er hasste solche Situationen. Neben einer Leiche zu stehen, war schon hart für ihn, aber lange nicht so aufwühlend. Denn die Leiche war schon tot. Diese Frau da war noch am Leben. Das hieß, man konnte etwas falsch machen und wäre schuld an ihrem Tod. Aber sie hatten ja nichts falsch gemacht. Sie hatten im Gegenteil alles richtig gemacht, indem sie gestürmt und den Arzt gerufen hatten. »Kann ich noch nicht sagen«, antwortete der Arzt. Er bedeutete seinen Helfern, die Frau auf die Trage zu legen, und trat beiseite. »Wenn sie es schafft, dann könnt ihr aber sicher sein, dass ihr der Frau das Leben gerettet habt. Eine halbe, dreiviertel Stunde später wäre sie garantiert weg gewesen.« Heiko war plötzlich sehr froh, dass sie sich gegen eine weitere Runde Schwimmen und für den spontanen Besuch entschieden hatten.

    Als die Rettungssanitäter mit der Liege aus dem Haus kamen, hetzte gerade die Morgnerin die Straße herauf. Echte Besorgnis zeichnete sich auf ihren Zügen ab. Sie schlug die Hände vor den Mund und rief laut den Namen ihrer Freundin. Endlich war sie bei der Trage, wechselte ein paar Worte mit den Assistenten und stieg dann zu ihrer Freundin in den Rettungswagen. Lisa sah sich um und bemerkte, wie sich in den Fenstern der umliegenden Häuser verstohlen die Vorhänge bewegten. Ein Mann aus dem Garten gegenüber starrte sogar ganz ungeniert herüber. Was besonders grotesk aussah, weil eine hüfthohe Hecke

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