Fischerkönig
liebe Irina«, murmelte er und hielt ihr nun den Strauß hin. Sie hatte ihm nie das Du angeboten, trotzdem war sie von Anfang an die Irina gewesen. »Danke«, sagte sie, nahm den Blumenstrauß mit einer betont nachlässigen Geste entgegen und starrte den Mann, der sie den ganzen Tag über beobachtete, böse an. »Willst du mich nicht hereinbitten?«, schlug Sackler vor. Irina schüttelte heftig den Kopf. »Ich … hab zu tun«, log sie.
»Ah, sicher, du musst alles vorbereiten für die Beerdigung, nicht?« Irina sparte sich eine Antwort. Sackler räusperte sich und fuhr sich dann über die schüttere Frisur, die er mit Haarwasser zu Strähnen verklebt hatte. »Fehlt er dir?« Irina starrte den Mann an und fragte sich, was er von ihr wollte. Sie beschloss, ihn genau das auch zu fragen, um das Ganze abzukürzen. Also legte sie den Blumenstrauß auf den Treppenabsatz zum oberen Stockwerk, in dem Walter seine Agentur gehabt hatte, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte unumwunden: »Was wollen Sie?« Sackler war sichtbar aus dem Konzept, murmelte etwas von Kondolenzbesuch und senkte schließlich den Blick, als er bemerkte, dass Irina ihm die Trauergeschichte nicht abnahm. Also schluckte er und fuhr sich mit der belegten Zunge über die schmalen Lippen, bevor er fortfuhr: »Ich liebe dich, Irina. Ich habe dich schon immer geliebt, schon, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.« Irina schüttelte langsam den Kopf, was Sackler aber sinnloserweise offenbar noch ermutigte. »Und jemand muss doch für dich sorgen, und da dachte ich mir, jetzt, wo du alleine bist …, nun, ich helfe dir gern, jederzeit.«
»Und dafür soll ich mit dir ins Bett und dir genauso das kleine Frauchen machen, wie ich es für den Walter gemacht habe, nicht?«, unterstellte Irina, und selbst Sackler erschrak, weil ihre Augen wild funkelten. Er streckte die Hände nach ihr aus, wagte aber nicht, sie auch wirklich anzufassen. Irina näherte sich seinem Gesicht, so, als wolle sie ihn küssen, und sagte dann: »Verschwinde, du Drecksau, und kauf dir deine eigene Russin. Und sollte ich dich noch einmal beim Spannen erwischen, werde ich vielleicht tatsächlich mal einen meiner zahlreichen Mafiafreunde engagieren, damit sie dir den dürren Hals umdrehen.«
Und dann hatte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen und war ins Zimmer zurückgegangen. Und plötzlich war ihr eine Idee gekommen. Eine Idee, wie sie Alexander retten und sich von jedem Verdacht reinwaschen konnte. Und wie sie außerdem den Sackler bestrafen konnte, denn der hatte es verdient.
Heikos Handy klingelte. Er ging ran und hörte die Stimme der jungen Witwe. »Ach, Grüß Gott, Frau Siegler, Sie … ach so … ah ja, erzählen Sie!« Es entstand eine Pause, in der Heiko angestrengt lauschte und Lisa ihn auffordernd anblickte. »Sind Sie da sicher?«, fragte er. »Und um wie viel Uhr war das? Gut, wir kommen.«
Nicht ganz eine Stunde später läutete es an der Tür von Sackler. Er saß gerade in seinem Ohrensessel und starrte auf eines der bezaubernden Fotos von Irina, die er geschossen hatte. Sie verkannte seine Absichten. Denn er wollte nicht nur mit ihr ins Bett. Er liebte sie von ganzem Herzen. Natürlich war ihm bewusst, dass es nicht in Ordnung war, sie zu beobachten. Aber sie war so schön, so wunderschön und so lieb. Sie hatte es nicht so gemeint, da war er sich ganz sicher. Und jetzt war sie frei. »Herr Sackler?«, dröhnte es nun von der Tür her. »Polizei. Wir wissen, dass Sie da sind. Bitte machen Sie auf!« Schlagartig schnellte sein Blutdruck hoch, und das war gar nicht gesund für ihn. Verdammt, was wollten die denn hier? Hastig schob er das Bild unter ein Buch und ging zur Tür, um zu öffnen.
Sackler öffnete in einem überaus komischen Aufzug. Er steckte in einem blauen abgewetzten Anzug, der wie sein eigener Konfirmationsanzug wirkte. Zudem hatte er seine Haare zu einer etwas seltsam wirkenden Frisur geklebt. Lisa registrierte eine leichte Bierfahne, als er fragend die Augenbrauen hob. »Wir hätten ein paar Fragen an Sie«, informierte Heiko. Sackler machte eine einladende Handbewegung. Wenig später saßen die Kommissare auf dem Sofa, Sackler hingegen in seinem riesenhaften Ohrensessel.
»Herr Sackler, es haben sich neue Erkenntnisse ergeben«, begann Lisa und ließ ihren Blick suchend durch den Raum schweifen. »Zunächst einmal würden wir gern die Fotos sehen.«
»Welche Fotos?«
»Den Stapel von neulich. Den, aus dem Sie das Foto vom
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