Fischerkönig
Lederjackenmann hatten. Wir interessieren uns nämlich für Fotografie, wissen Sie.«
In Sacklers Gesicht arbeitete es sichtbar, und es war deutlich zu erkennen, dass er abwog, ob er leugnen sollte oder nicht. Dann ging ihm anscheinend auf, dass er schneller hätte sein müssen, wenn er die ganze Sache hätte abstreiten wollen. Seufzend erhob er sich und ging zum Fernsehtisch, wo tatsächlich der Stapel Fotos lag. Mit gesenktem Blick reichte er ihn den Kommissaren. Lisa nahm ihn und blätterte ihn durch. Irina bei der Gartenarbeit. Irina mit Einkaufstüten. Irina im BH im Schlafzimmer. Irina nackt im Schlafzimmer. Irina mit der Kleinen auf der Terrasse. Irina beim Kochen.
»Ein bisschen oft Frau Siegler«, stellte Heiko trocken fest.
»Sie dürfen das nicht falsch verstehen«, beteuerte Sackler. »Ich bin nicht wie der Walter. Bei mir hätte sie es gut.« Lisa sog scharf die Luft ein und sagte dann in tadelndem Tonfall: »In unserer Kultur kümmert man sich auch darum, was die Frau eigentlich will, Herr Sackler.« Sackler seufzte und schüttelte den Kopf. »Aber sie ist doch jetzt allein, und sie hat hier niemanden. Und die Kleine braucht doch auch einen Vater, einen richtigen Vater, nicht so einen wie den Walter.« Die Kommissare wechselten einen Blick.
»Kann es sein, dass Sie sich all das schon vorher gedacht haben?«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, wenn der Walter tot wäre, dann wäre die Irina frei, der Weg wäre frei, freie Bahn … für Sie, Herr Sackler?«
Der ältere Mann hob abwehrend die Hände. »Im Leben net! Ich hab nichts mit dem Tod vom Walter zu tun!«
»Wir haben allerdings einen Zeugen, der gesehen hat, wie Sie um halb acht das Haus verlassen haben und eine Stunde später nach Hause gekommen sind.« Heiko hatte bewusst ZeugEN und nicht ZeugIN gesagt. Trotzdem würde Sackler wohl draufkommen, wer ihn verraten hatte, wenn er zwei und zwei zusammenzählte. »Das ist nicht wahr«, flüsterte Sackler heiser, und sein Blick wanderte unstet im Raum umher, als suche er nach einer Fluchtmöglichkeit. Lisa fixierte den Mann unverwandt und meinte dann: »Wissen Sie, wir in der Kriminalistik denken uns: Wer hatte ein Motiv? Wer ist in der Lage zu einem Mord? Und wer hat kein Alibi?« Sackler schwieg und starrte direkt auf seine Füße. »Und momentan sind Sie die Antwort auf alle drei Fragen, Herr Sackler.« Sackler schwieg immer noch, verzog aber nun das Gesicht, als würde er gleich losheulen. Dann sah er langsam hoch, ganz langsam, und meinte dann: »Ich war es nicht. Sie müssen mir glauben.«
Heiko schluckte. »Tut uns leid, Herr Sackler. Das ist leider zu wenig.«
Alexander hatte sich von der Landstraße ferngehalten. Er wusste, dass er den Bus nicht nehmen konnte, denn wahrscheinlich waren die Busfahrer längst instruiert. Aber der Zug war eine Möglichkeit. Vielleicht nicht der in Crailsheim direkt, denn da würden die Bullen auch stehen, da war er sich sicher. Aber in Eckartshausen, da hätte er eine Chance. Er war also bei den Hirtenwiesen über den kleinen Hügel gewandert und anschließend auf den Feldwegen Richtung Maulach. Er kannte den Weg nicht genau, und hörte er auch nur von ferne ein Auto, so versteckte er sich minutenlang in den zweimeterhohen Maisfeldern, die ihn überragten, bis das Fahrzeug vorüber war. Viele Hohenloher nutzten die Feldwege, obwohl sie der Landwirtschaft vorbehalten waren, als Abkürzung oder Umleitung. Und man konnte nie wissen, ob die Polizei auch darauf käme. Kurz vor Maulach schwenkte er nach links und ging im Abstand von einigen Metern an den Bahngleisen entlang. Er schwitzte und hatte Durst, aber er wusste, dass es unmöglich war, sich etwas zu kaufen. Viel zu gefährlich. Einige Züge zischten an ihm vorbei, Züge mit glücklichen Menschen, die nicht solche Sorgen hatten wie er. Die nicht solche Scheiße gebaut hatten und es nun ausbaden mussten.
Sie nahmen Sackler mit aufs Revier und lieferten ihn in die Untersuchungshaft ein. Er leistete keinerlei Widerstand, hatte sich aber bereits die Nummer seines Anwalts geben lassen.
Lisa und Heiko beschlossen, den Rest des Tages freizunehmen, um den Kopf leerzubekommen und noch ein wenig über den Fall nachzudenken. Da die Temperaturen die 30 Grad schon locker überschritten hatten, hatten die beiden entschieden, am Degenbachsee schwimmen zu gehen. Der Degenbachsee lag bei Alexandersreut und war ein beliebter Badesee. Er war nicht ganz so groß wie der Reiglersbachsee und daher auch etwas schwächer
Weitere Kostenlose Bücher