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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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auszutreten – nein, also das wäre gar nicht gegangen, was hätten denn da die Leute gesagt. Überhaupt war es ja immer so wichtig gewesen, was die Leute sagten. Außer ihre, Irinas Meinung, die war ihm piepegal gewesen, selbst, wenn es nur um Banalitäten wie die Wohnungseinrichtung ging. Irina hörte nicht hin, was der Pfarrer alles murmelte. Agnes Morgner schniefte pflichtschuldig und warf einen Nelkenstrauß ins Grab hinab, als der Pfarrer geendet hatte. Chor gab es keinen, auch keine anderweitige musikalische Umrahmung. Agnes hatte getobt, als Irina ihr ihre Entscheidung, die Beerdigung im engsten Familienkreis abzuhalten, mitgeteilt hatte. Aber sie hatte sich fügen müssen, und das war Irina wie ein kleiner Triumph erschienen, zum ersten Mal in ihrem Leben mit Walter hatte sie eine eigene Entscheidung getroffen und diese auch durchgesetzt. Viktoria bewegte sich plötzlich auf ihrem Arm und flüsterte dann seltsam ernst in ihr Ohr: »Mama, wo ist der Papa jetzt?« Irina schluckte. Sie trat ans Grab und warf eine letzte Rose hinein. Eine gelbe, die stand für Freundschaft und Achtung. Selbst das war zu viel. Aber nun gut. »Der Papa ist jetzt im Himmel«, erklärte Irina und sah der Rose hinterher, die nach kurzem Flug auf der Urne zu liegen kam. Der Pfarrer trat zu ihr und kondolierte ihr mit ehrlich-ernstem Gesichtsausdruck. Der kleinen Halbwaise streichelte er über die Wange, was sich das Mädchen gnädig gefallen ließ. Dann ließ er die beiden Frauen und das Mädchen allein, und der Beamte von der Stadt begann damit, das kleine Urnengrab zuzuschaufeln und den verbrannten Walter völlig der Erde zu überantworten.

    Heiko und Lisa fanden Heinz Hintermann in seiner Firma. Er war beim Maschinenbauer Roninger als Mechatroniker angestellt. Soeben standen die drei auf der Terrasse des Aufenthaltsraumes. Heiko und Hintermann rauchten, verfolgt von Lisas missbilligenden Blicken. »Kennen Sie den Mann?«, fragte Heiko noch einmal und deutete erneut auf das schnelle Knipsfoto von Sackler, das er in der linken Hand hielt. Die rechte war ja mit Rauchen beschäftigt. »Vom Sehen«, meinte Hintermann und dachte angestrengt nach.
    »Und woher?«
    Hintermann zuckte die Achseln.
    »Der Mann wohnt in Goldbach«, half Lisa nach.
    Hinter Hintermanns Stirn arbeitete es. »Goldbach …«, sinnierte er, »Goldbach …, da gehe ich immer schwimmen.«
    »Wieso gehen Sie nicht nach Crailsheim?« Crailsheim verfügte über ein sehr großes und einigermaßen komfortables Freibad mit riesigen Liegeflächen am Hang unterhalb eines Wäldchens. »Ich mag das Goldbacher Freibad«, informierte Hintermann. »Das ist so schön schnuckelig. Wenn ich allerdings mit meiner Frau gehe, muss ich nach Crailsheim. Die will warm duschen.« Lisa erinnerte sich, dass es im Freibad Goldbach tatsächlich nur kalte Duschen gab, und es kostete durchaus einiges an Überwindung, sie zu benutzen.
    »Und wo stellen Sie da Ihre Badetasche ab?«
    »Na, ganz normal, am Liegeplatz. Schließfächer gibt es ja keine.«
    »Also hätte nahezu jeder die Gelegenheit gehabt, sich unbemerkt an Ihrem Schlüsselbund zu schaffen zu machen?«
    »Theoretisch ja. Aber praktisch …, das würde doch auffallen.«
    »Sie wären überrascht, wie gleichgültig die Leute so sind, wenn es nicht um ihr eigenes Hab und Gut geht«, versetzte Lisa.
    Hintermann brummte. »Kann sein.«
    »Also hätte der Mann sich leicht an Ihrer Tasche bedienen können«, sinnierte Heiko.
    »Aber woher sollte er wissen, dass ich im Fischereiverein bin? Wenn ich ihn doch gar nicht kenne?«
    »Vielleicht kennt er Sie?«, schlug Heiko vor.
    Hintermann zuckte die Achseln. »Wenn Sie das so sehen, hätte jeder den Anhänger klauen können, jeder.«
    »Nicht jeder«, widersprach Lisa. »Sondern nur die Besucher des Goldbacher Freibades. Oder haben Sie noch eine Idee, wo sonst Ihre Tasche so frei zugänglich ist?«
    Hintermann zog wieder an seiner Zigarette, warf sie dann zu Boden und trat bedächtig darauf. »Im Moment nicht«, meinte er dann. »Das wäre tatsächlich eine Erklärung.«

    Lilli Hegenbach drehte den Kopf zur Tür. Sie war auf dem Weg der Besserung, hatten die Ärzte erklärt, aber gleichzeitig müsse sie sich wohl noch auf eine kurze Sitzung in Weinsberg gefasst machen und auf einen anschließenden Besuch beim Psychiater in der Praxis. Sie schloss ergeben die Augen. Sie wusste, dass es dumm gewesen war, sich das Leben nehmen zu wollen. Aber sie hatte sich einfach so gefühlt, als wäre

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