Fischerkönig
wird, ist das zumindest eine Option.« Zundel schwenkte den Eistee im Glas herum, als wäre er edelster Wein, sodass die Eiswürfel klirrten. »Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich es toll finde, andauernd Vize zu sein«, gab Zundel schließlich zu. »Und so eine Kette macht sich auch gut bei den Weibern.« Heiko schwieg und forderte damit zum Weiterreden auf. »Ich hätte sie gerne mal, diese Kette, ja. Aber nicht um jeden Preis.«
»Gehen Sie ab und zu mal ins Goldbacher Freibad?«, wollte Heiko wissen.
»Ich? Nein. Ich schwimme im Steinbruchsee unten in Lobenhausen. Illegal und nackt.« Er zog eine Augenbraue hoch und musterte Lisa von oben bis unten, aber, wie Heiko zu seinem Entsetzen feststellte, nicht auf diese widerlich-schmierige Weise, wie manche Typen das machten, sondern irgendwie charmant-verwegen. »Wenn Sie mögen, können Sie mich gerne einmal begleiten, Frau Kommissarin.« In Heiko brodelte es anfänglich, aber Lisa zog ebenso ihre Augenbrauen hoch und meinte: »Danke, ich schwimme lieber in weniger trüben Gewässern.« Zundel lachte und zuckte die Schultern.
»Ich habe jedenfalls den Sieglers Walter nicht umgebracht.«
»Können Sie uns vielleicht trotzdem Ihr Alibi nennen? Ich meine, sofern Sie eines haben?«, verlangte Lisa.
»Klar«, meinte Zundel. »Ich muss nur erst überlegen, mit welcher ich am Samstagabend zusammen war.«
»Woher wissen Sie denn so genau, dass es am Samstagabend war?«, forschte Heiko mit warnendem Unterton.
»Also das hat sich inzwischen herumgesprochen.« Heiko brummte. Das konnte allerdings sein. »Und? Wie können wir Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?«
»Warten Sie … Samstagabend …, da war ich mit der Dani im ›Apfelbaum‹!«
»Dani wer?«
»Klier heißt die, glaube ich, Daniela Klier.«
»Sie haben nicht zufällig ihre Telefonnummer?«
»Klar.« Zundel angelte nach seinem hochmodernen Handy, das auf dem Tisch lag, und tippte eine Weile darauf herum, um es schließlich Heiko zu reichen. Der hielt es sich ans Ohr, weil er gemerkt hatte, dass die besagte Nummer schon gewählt war.
»Klier?«, meldete sich eine sexy-rauchige Frauenstimme.
»Äh, ja, hallo, Frau Klier, hier Wüst von der Kriminalpolizei.«
»Hab ich schon wieder einen Strafzettel?«, fragte die junge Frau.
»Nein, nein, gar nicht. Uns würde nur interessieren, was Sie am Samstagabend gemacht haben.«
»Wieso? Hab ich jemanden umgebracht?«
»Beantworten Sie bitte einfach die Frage.«
»Ich war mit dem Harald Zundel im ›Apfelbaum‹.«
»Und wie lange?«
»Von zehn bis zwei.«
»Und vorher?«
»Vorher waren wir im Kino.«
»In welchem Film denn?« Zundel langte in seine hintere Hosentasche und förderte ein edles schwarzes Lederportemonnaie zutage. Er klappte es auf und holte die passende Kinokarte heraus, um sie mit lässiger Geste auf den Tisch zu legen.
»Mission Impossible 5«, beantwortete die Frau inzwischen die Frage des Kommissars. »Hilft Ihnen das?«
»Ja, vielen Dank. Ade.«
Auf dem Rückweg blieben Lisa und Heiko zwar schön im Auto sitzen, als sie das improvisierte Löwengehege passierten, jedoch fuhren sie immerhin nur langsam vorbei, sehr, sehr langsam. Der Löwe hob den Kopf von seinen riesigen Pfoten und blickte sie aus braungoldenen Augen mäßig interessiert an. Dann verlagerte er seinen Schwerpunkt nach hinten, streckte sich und riss endlich gähnend das Maul auf. Und gab den Blick frei auf sein eindrucksvolles Raubtiergebiss, mit dem er locker jedem größeren Säugetier, natürlich auch dem Menschen, den Garaus machen konnte. Obwohl der Löwe gut zehn Meter von ihnen entfernt war, konnten Heiko und Lisa die gewaltigen Reißzähne sehen. »Wahnsinn!«, befand Lisa. »Und so was in Hohenlohe.«
Das Polizeiauto fuhr in der Auffahrt vor, und Sackler entstieg dem Fond. Und diesmal war es Irina, die ihn verstohlen durch einen Spalt im Vorhang beobachtete, und sie fühlte sich gar nicht gut. Er sah zu ihr herüber und sackte wie ein Häuflein Elend in sich zusammen, als er die Vorhänge geschlossen sah. Es war nicht in Ordnung, wozu sie sich hatte hinreißen lassen, gar nicht in Ordnung. Der Mann wartete, bis der Streifenwagen wieder verschwunden war, und setzte sich dann in ihre Richtung in Bewegung. Er schien unschlüssig, blieb immer wieder stehen, fasste sich dann aber jedes Mal und lief weiter, bis er endlich bei ihr klingelte. Sie schloss kurz die Augen, sie wusste nicht, ob sie ihm entgegentreten konnte. Dann aber
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