Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
Vom Netzwerk:
sich bedroht gefühlt?«, hoffte Heiko. Irina überlegte kurz und sagte dann: »Nein. Nicht wirklich. Ich war einfach nur wütend. So unendlich wütend, und ich habe mich gedemütigt gefühlt, wie ein Stück Fleisch, das zum Verkauf steht. Verstehen Sie?« Heiko nickte langsam. »Jedenfalls, wenn Sie registrieren könnten, dass ich mich getäuscht habe. Dass ich den Sonntag gemeint habe, nicht den Samstag.« Heiko räusperte sich und schlug dann im Verschwörerton vor: »Habe ich Sie also richtig verstanden – übermannt von Trauer, und weil Sie noch völlig verstört waren vom Tod ihres geliebten Gatten, haben Sie sich im Datum geirrt. Es tut Ihnen unendlich leid und so weiter und so fort. Richtig?« Irina nickte kleinlaut, wie ein Kind, das bei einer Dummheit ertappt worden war. »Danke.«
    »Scho recht. Und ich würde sagen, auf eine Anzeige wegen Nötigung verzichten wir, sozusagen quid pro quo. Ist das für Sie in Ordnung?« Irina nickte wieder. Das war okay für sie.

    Als Nächstes zitierten sie Sackler her, dessen Stimmung eine seltsame, nervöse Mischung aus Unruhe und Selbstsicherheit war. Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust. Heiko betrachtete den Mann genauer. Es war deutlich zu sehen, dass er unzufrieden war. Die tiefen Furchen seines Gesichtes zeugten davon, ebenso wie die ausgeprägten Nasolabialfalten. »So, hat sich die Irina also besonnen, ja?«, begann Sackler, ohne einen der Kommissare gesondert anzublicken, gerade so, als würde er seine Verhaftung ihnen persönlich verübeln. »Unser Zeuge hat tatsächlich eingeräumt, dass ihm ein Fehler unterlaufen ist«, erklärte Lisa. Anstatt wütend zu wirken, machte sich auf dem Gesicht des Alten nun schiere Traurigkeit breit. Er schüttelte den Kopf und murmelte etwas. »Wie bitte?« Wieder Kopfschütteln. Eine Pause entstand, in der keiner der Anwesenden etwas sagte. Und dann fragte Sackler: »Ich kann also gehen?« Die Kommissare wechselten einen Blick. »So einfach ist es nicht«, meinte Heiko. »Sie haben immer noch ein starkes Motiv, ein sehr starkes!« Sackler sah zum Fenster hinaus und wirkte nun nicht nur todtraurig, sondern zudem noch verzweifelt. »Ich war es nicht«, flüsterte er.
    »Was ist das eigentlich für eine Kamera, die Sie da haben?«, fragte Heiko endlich. »Analog oder digital?«
    »Digital«, antwortete Sackler. »Wieso? Ich habe das Datum nicht eingestellt.«
    »Sie haben an diesem Tag nicht zufällig ein paar Fotos von Frau Siegler geschossen?«
    Sackler sparte sich ein Leugnen. »Bringt doch nichts – ich sagte doch schon, ich habe das Datum nicht eingestellt, das macht die Bildkomposition total kaputt.«
    Heiko unterdrückte ein Grinsen – die künstlerische Komponente in Sacklers Bildern war ihm bisher entgangen. »Die Speicherkarte merkt sich das Datum, Herr Sackler. Also. Sie haben doch sicher auch an diesem Tag – haben Sie?«
    Sackler wirkte nun etwas peinlich berührt, nickte aber.

    Zwei Stunden später war Sackler erst mal auf freiem Fuß. Sie hatten die Kamera geholt und dort lückenlos von jedem einzelnen der letzten 47 Tage einen Ordner ausgelesen. Am Abend des 9. August waren auch wieder einige gestochen scharfe Aufnahmen von Irina dabei. Damit hatte der Alte zwar ein durchaus peinliches Alibi, aber immerhin war es ein Alibi, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass er es nicht selbst geliefert hatte, sondern dass die Kommissare ihn erst darauf hatten bringen müssen. Insofern war die ganze Sache zumindest so glaubwürdig, dass sie den Mann fürs Erste aus der Haft entlassen konnten. Die Kamera nahmen sie allerdings mit als Beweisstück, mit dem Nebeneffekt, dass Irina erstmalig seit Jahren in ihren eigenen Räumlichkeiten ihre Ruhe haben würde. Lisa und Heiko beschlossen daraufhin, nun doch wieder ihre erste Idee zu verfolgen und sich Harald Zundel zuzuwenden, der, wie sie bereits herausgefunden hatten, in Triensbach wohnte.

    »Also, wo Drääschbi ist, weiß ich.«
    Lisa verdrehte die Augen. Heiko liebte es, die Ortsnamen so hohenlohisch wie nur irgend möglich auszusprechen, damit sie nichts verstehen sollte. Aber da hatte er sich geschnitten. Denn sie wusste wohl, dass ›Drääschbi‹ Triensbach hieß, und war auch mit den anderen Ortsnamen durchaus firm. Sie selbst wohnte in ›Oonza‹ (Onolzheim) und ihr letzter Mordfall hatte sich in ›Ingerscha‹ (Ingersheim) abgespielt, der vorletzte dagegen in ›Diafabach‹ (Tiefenbach). Sie hatten bereits Tiefenbach und Rüddern, das von den

Weitere Kostenlose Bücher