Fischerkönig
erzählte Heikos Vater.
Heiko brummte. War ja aufregend. »Und?«
»Ja, du weißt, ich gehe eigentlich auf Hecht, und die gibt es da gar nicht, aber ich wollte mal wieder einen Karpfen rausziehen. Also bin ich da gehockt, auf meinem Anglerstuhl.«
»Und dann?«
»Und dann ist was ganz Komisches passiert. Plötzlich kam so ein Heini, so ein Gelackter, einen Anzug hatte er zwar nicht an, aber weisch, so Bonzen-Freizeitklamotten halt.«
»Hm«, machte Heiko und forderte damit zum Weiterreden auf.
»Und der hat gemeint, ob ich bitte gehen könnte, der Weiher sei jetzt privat.« Heiko runzelte die Stirn. Das war tatsächlich komisch. »Dann hat er auf das letzte Haus am Ortsrand gedeutet und erklärt, er würde da jetzt jedes Wochenende wohnen und hätte den Weiher gleich dazugekauft. Und deshalb sei der jetzt privat.«
»Und was hast du gemacht?«, wollte Lisa wissen.
»Was soll ich schon gemacht haben. Ich hab zusammengepackt und bin gegangen. So wichtig ist mir ein fettiger Karpfen nun auch wieder nicht, dass ich mich womöglich noch mit der Polizei anlege.« Er zwinkerte und grinste. Nach dieser für ihn ungewöhnlich langen Rede nahm er erst einmal einen tiefen Schluck aus seinem Weißherbstschorleglas.
»Aber der Westgartshausener Weiher gehört doch dem Fischereiverein?«, wunderte sich Heiko.
»Das hab ich auch immer gedacht. Aber scheint’s nicht, beziehungsweise nicht mehr.«
»Die meisten Gewässer gehören dem Verein ja nicht, sondern er hat sie gepachtet«, erläuterte Doris. Der Donner grollte nun deutlich näher und weniger verhalten als zuvor. Sieger, der einige Wiesen hatte, blickte argwöhnisch zum Himmel. »Guad, dass ii mim Heimacha noch gwartet hobb«, warf er ein.
»Jedenfalls, das war schon komisch. Hab ich jedenfalls noch nie gehört, dass der Verein einen von seinen Seen verkauft«, schloss Wüst senior seinen Bericht.
Heiko spürte einen ersten Tropfen. »Was haltet ihr von einem kurzen Rundgang durch die Ausstellung?«, schlug er vor. Und das weniger, weil er tatsächlich in die Ausstellung wollte, sondern vielmehr, weil er dem Regen zu entgehen gedachte. Die Tropfen fielen jetzt dicker, platschten in den Fluss neben ihnen, wurden zu silbernen Fäden. Ein Blitz zuckte, und plötzlich war der Donner ohrenbetäubend. Die fünf Ausflügler ließen ihre Gläser im Regen stehen und retteten sich über einen schmalen Pfad bergauf in die Scheune, in der landwirtschaftliche Geräte aller Art von früher ausgestellt waren. Während sie erst beim Betrachten der Ausstellungsstücke und später gemütlich auf den Holzbänken sitzend auf das Ende des Gewitters warteten, das über ihnen tobte, und während die Feuchte und Kühle des Gewitters langsam wieder spätsommerlicher Schwüle wich, fragte sich Heiko, ob der Verkauf des Weihers in irgendeiner Weise etwas mit ihrem Fall zu tun haben könnte.
Harald Zundel stand mitten in der Jagst, die Hosenbeine aufgekrempelt. Er hatte seine Gummistiefel an und blickte sich verstohlen um. Aalfischen mit der Hand war eigentlich verboten. Aber solange niemand vom Verein in der Nähe war, würde es ja auch keiner mitbekommen. Und so ein geräucherter Aal war halt was Feines. Einer oder zwei. Schon mehrfach hatte er diese Delikatesse seinen Eroberungen vorgesetzt. Und die Weiber fanden das immer total lecker. Und so ein Aal, geräuchert im eigenen, selbst gebauten Ofen, mit einem frischen Krustenbrot vom hiesigen Bäcker, bestrichen mit Butter – nichts Besseres gab es. Am Wochenende hatte er wieder ein Date, er wollte der Dame neben einem geräucherten Aal den Löwen zeigen. Das Tier war ebenfalls super zum Flirten, andere hatten einen Hund, aber egal, wie groß der war oder wie gefährlich der wirkte, jeder Hund war nichts gegen einen Löwen. Denn wer den König der Tiere einsperrte, der war selber ein König. Er öffnete seine rechte Hand und legte sie flach auf die Höhlung im Stein. Es galt, den Aal einzusperren und ihm keinen Ausweg zu lassen. Dann konnte man irgendwann, wenn das Tier so panisch war, dass es mit der Nase gegen die Handfläche stupste, mit der anderen Hand fest zupacken und den leckeren Fisch hervorzerren. Aale waren auch ein bisschen wie Schlangen, Symbole für die Versuchung. Prima. Das Tier wand sich unter dem großen, vielfach ausgehöhlten Stein. Mit seinem linken Stiefel verschloss Harald Zundel die eine Öffnung, mit dem rechten stützte er sich auf dem algenbewachsenen Flussgrund ab, immer darauf bedacht, nicht auszugleiten.
Weitere Kostenlose Bücher