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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Seine linke Hand fasste hinter den Stein, und die rechte lag flächig auf dem Vorderausgang der Aalwohnung. Diese Haltung war unangenehm, beinah schmerzhaft, und trotzdem auf seltsame Weise befriedigend. Er kam sich vor wie ein Jäger oder vielleicht wie ein Ritter, der es mit einer geheimnisvollen Schlange zu tun hatte. Mindestens wie Indiana Jones. Dabei war es sekundär, dass diese Schlange ihn weder beißen konnte noch giftig oder sonst wie gefährlich war. Es ging um den Thrill. Um die Spannung. Das Abenteuer. Und die Jagd. Wieder bewegte sich der Fisch, ringelte sich umher, und schließlich fühlte Zundel die Nase an seiner rechten Hand. Blitzschnell packte er zu, zog kräftig und hielt eine Sekunde später ein etwa 70 cm langes, schlammgrünes Prachtexemplar in der Hand. Das Tier wand sich und versuchte zu entkommen, indem es seinen Schwerpunkt verlagerte, natürlich ohne Erfolg. Zundel trug seinen Fang zum Eimer und ließ ihn hineingleiten. Und dann dachte er einen klitzekleinen Moment daran, dass der alte Siegler sich im Moment seines Todes ganz ähnlich gefühlt haben musste wie gerade eben der bedauernswerte Fisch.

    Gaby kämpfte mit sich. Es war nicht recht, was die Morgnerin mit der Irina gemacht hatte. Und eigentlich gehörte die Morgnerin verpetzt. Sie stellte die Wurst- und die Käseplatte auf den Tisch. Sie und ihr Mann vesperten abends gern feudal. Mit allem Drum und Dran. Kleine Schälchen mit Radieschen, Tomatenvierteln und Gurkenscheiben ergänzten das Ganze, dazu mehrere hart gekochte Eier und ein gutes Bauernbrot. Andererseits, was ging sie das Ganze überhaupt an. Vielleicht war es ja wirklich so, dass die Irina den Siegler hatte umbringen lassen, und dann geschähe es ihr gerade recht. Obwohl. Das, was die Simone gemeint hatte, war schon nachvollziehbar. Sie selbst hätte es mit dem Siegler auch nicht ausgehalten. War schon eine Unverschämtheit, sich eine Frau zu kaufen. Vor allem, weil doch das ganze Dorf gewusst hatte, dass die Lilli Hegenbach hinter dem Walter her gewesen war. War ja auch kein Wunder, der hat sie ja immer vertröstet, immer, und wenn er grad mal keine hatte, ist er auch zu ihr hin und hat sie mal wieder beglückt. So zwischendurch. Aber nur, wenn gerade nichts anderes greifbar war, sprich, nichts Jüngeres, Hübscheres. Intelligent mussten Sieglers Damen ja nicht sein, das war eher kontraproduktiv. Denn einer intelligenten und womöglich gebildeten Frau genügte es nun einmal nicht, zu Hause zu sitzen, das brave Muttchen zu spielen, ein paar Kinder großzuziehen und im Übrigen all ihre Bedürfnisse denen ihres Ehemannes unterzuordnen. Sie nahm die Teekanne mit dem frischen Minztee und stellte sie zu dem Arrangement auf dem Küchentisch. Und vor allem einer so jungen Frau wie der Irina reichte das womöglich nicht. Soweit Gaby wusste, hatte Irina Abitur. Sie könnte studieren, und sie glaubte sich zu erinnern, dass sie ihr gegenüber das sogar einmal erwähnt hatte. Dass sie gern studieren würde, dass sie zum Beispiel Lehrerin werden könnte. Dabei hatten ihre Augen geleuchtet, und sie hatte sehr sehnsüchtig gewirkt. Eigentlich ein bescheidener Wunsch, ein sehr bescheidener. Aber natürlich gänzlich unpassend zu der Rolle, die der Siegler seiner Frau zugedacht hatte. Je dümmer, desto besser, konnte man also resümieren. Der Walter war schon ein Aas gewesen. Aber es täte ihr leid um die Irina. Man erzählte sich, sie hätte ein Verhältnis mit einem jungen, muskulösen blonden Russen mit Lederjacke, der sehr sporadisch dann vorbeikam, wenn der Walter aus dem Haus war. Und der hätte ihn auch umgebracht. Selbst wenn es so wäre, selbst das könnte man der Irina nicht wirklich ankreiden. Denn mit dem dürren Männchen mit dem spärlichen Haupthaar, das bestimmt einen halben Kopf kleiner als sie selber war, ins Bett zu gehen, war bestimmt nicht so prickelnd. Geradezu widerlich, um genau zu sein. Sie selbst hätte den Walter nicht einmal mit der Kneifzange angefasst, obwohl er es bei ihr auch schon probiert hatte, quasi der Vollständigkeit halber, und obwohl sie auch altersmäßig deutlich besser zu ihm passen würde als eine 25-jährige Russin.
    »Gaby«, rief Andreas aus seinem Arbeitszimmer. »Bist du fertig?«
    »Ja«, rief sie zurück.

    Eine Minute später saßen sie beide am Küchentisch. Ihre Ehe war gut, und sie waren miteinander zufrieden und glücklich. Andreas bestrich eine Brotscheibe dick mit Butter und legte dann mehrere Rädle Salami darauf. Gaby nagte

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