Fischerkönig
zirpend durch den Garten, die Mücken schwirrten tief, auch hier würde es wohl bald regnen.
»Muss da nicht der Vorstand sein Okay geben?«, hakte Heiko nach.
»Sagen wir mal so: Im Schwätzen war der Siegler gut. Deshalb war er auch so ein erfolgreicher Versicherungsfritze.«
»Alle waren dafür?«, mutmaßte Lisa, und es klang zweifelnd.
Waller schüttelte den Kopf, und die Brille auf seiner Nase bewegte sich dabei leicht. »Nicht alle, auf keinen Fall.«
»Und wer vor allem nicht?«
»Also ich bitte Sie, Herr Wüst, wegen einem Weiher bringt doch keiner einen um.«
»Wer?«, forderte Heiko, und es klang streng. Er spürte, dass Waller niemanden verraten wollte. Lisa ging die Sache wie so oft besonnener an. »Mein Kollege hat mir auf der Fahrt erklärt, dass es sowieso ungewöhnlich ist, dass die Gewässer dem Verein gehören. Meistens sind sie nur gepachtet. Wieso war das denn in diesem Fall anders?« Den Kommissaren entging nicht der gehetzte Blick, den Waller mit seiner Frau wechselte. »Sag’s ihnen schon«, forderte die ihn schließlich auf, »sie finden es sowieso raus.«
Waller seufzte noch einmal und erzählte dann: »Der See hat eigentlich unserem Zweiten Vorsitzenden gehört, dem Steidles Erwin.«
»Und?«
»Und der hatte eines Tages ein … kleines finanzielles Problem, er hat ein bisschen was verzockt. Und dann ging es drum, Haus oder See, und dann hat der Verein den See sozusagen übernommen. Aber das lief ganz legal ab, ganz offiziell, das war kein Gemauschel.«
»Haben wir auch gar nicht unterstellt, Herr Waller«, beruhigte Lisa und trank einen Schluck Schorle. An einer Stelle blitzte soeben ein Stückchen Sonne durch die Wolken und erhellte die Szenerie unversehens.
»Jedenfalls fand der Steidles Erwin das mäßig toll, dass der Siegler ausgerechnet den See, den ihm sein Opa vererbt hat und der noch dazu vor seiner Haustür liegt, verkaufen wollte.«
»Und wie hat sich der Siegler gerechtfertigt?«
»Der hat gemeint, die Stuttgarter Bonzen wollten halt diesen und keinen anderen See, und der Verein wäre dann finanziell saniert.«
»Und wie hat Steidle reagiert?«, wollte Lisa wissen.
Nun schwieg Waller eisern, und seine Frau fuhr an seiner statt fort: »Wie schon. Getobt hat er. Und dem Siegler alles Schlechte dieser Welt gewünscht.«
»Und wie stand damals der Hintermanns Heinz zu der Sache?«, wollte Heiko wissen.
Hinter Wallers Stirn arbeitete es sichtbar. Dann sagte er: »Der hat damals auch für den Verkauf des Sees gestimmt.«
Diese Erkenntnis erforderte nun doch ein schnelles Handeln, dienstfreier Samstag hin oder her. Heiko und Lisa rasten im BMW von Satteldorf aus über regennasse Straßen nach Westgartshausen. Westgartshausen war ein kleiner Stadtteil im Südosten Crailsheims, der direkt an ein größeres Waldgebiet grenzte und zu dem weite Wiesen und eben dieser Weiher gehörten. Heiko war hier aufgewachsen und schwärmte häufig von der für Kinder geradezu traumhaften Atmosphäre. Wenn Lisa ihn dann frotzelte, sie könnten dann ja mal mit ihrem Nachwuchs zu seinen Eltern ziehen, brummte er sofort irgendwas Ablehnendes, wie zum Beispiel ein schlichtes »Nix«. Auch Lisa wollte noch keine Kinder, aber irgendwann einmal schon. Das war jetzt aber nicht das Problem. Momentan hatten sie einen Mörder zu fassen. Und Erwin Steidle schien der Erste auf ihrer Liste zu sein, der nicht nur ein wunderbares Motiv hatte, Walter Siegler umzubringen, sondern auch einen guten Grund, Heinz Hintermann eins reinzuwürgen. Die Kommissare fuhren mit geschlossenem Dach, Heiko hatte zu große Angst um seine Ledersitze, aber sie hatten die Fenster ganz geöffnet, und jetzt drang der umwerfende Duft nach nassem Gras herein. Heiko bog in den Ort ab und suchte die Straße, in der Erwin Steidle wohnte.
Sie parkten schließlich vor einem flachen Bungalow, der inmitten all dieser schmucken Einfamilienhäuschen zugleich trostlos und modern wirkte. Im Vorgarten standen akkurat gestutzte Buchsbäume in Kugelform, dieser Anblick ließ den Zeiger wiederum eher in Richtung Modernität ausschlagen, ebenso wie das Schild an der Hauswand, das den Bewohner als freischaffenden Architekten auswies. Erwin Steidle hatte sie wohl gehört und kam schon aus der Haustür. Er trug ein weißes Hemd und dunkelgraue Jeans, was in dieser Umgebung absolut passend war. Offensichtlich gehörte er zu jenen Männern, die eine blanke Platte einer partiellen Glatze vorzogen. Seine Augen waren ebenso grau wie seine Hose,
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