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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Nachtauge. Ich war der letzte des Wurfs, der die Augen öfnete. Er schniefte und musste niesen, dann schaute er zu den Toten hin. Ich folgte
widerwillig seinem Blick. Der Jüngere war langsam an dem Messerstich verendet. Die anderen beiden …
    Ich habe schneller getötet, bestätigte Nachtauge. Aber ich habe nicht die Zähne einer Kuh. Du hast dich gut gehalten für einen deiner Art. Er stand auf und schüttelte sich. Auf mein Gesicht spritzte kaltes und warmes Blut. Mit ei nem angeekelten Laut wischte ich es ab, erst dann begriff ich.
    Du blutest.
    Du auch. Er zog die Klinge aus deinem Leib, um sie in mich zu stoßen.
    Lass mich die Wunde ansehen.
    Warum?
    Die Frage hing zwischen uns in der kalten Luft. Nicht mehr lange, und hier draußen würde die Nacht über uns he reinbrechen. Die schwarzen Äste der Bäu me über uns verschwammen mit dem Dunkel des abendlichen Winterhimmels. Ich brauchte kein Licht, um ihn zu se hen. Ich brauchte ihn nicht ein mal zu se hen. Muss man sein Ohr sehen, um zu wissen, dass es zu einem gehört? Ebenso unsinnig war es zu leugnen, dass Nachtauge zu mir gehörte.
    Wir sind Brüder. Wir gehören zusammen, gab ich zu.
    Wirklich?
    Ich fühlte sein Su chen, sein Tasten, sein Verlangen nach meiner Zuneigung, wie ich es schon ein mal gespürt, jedoch zurückgewiesen hatte. Diesmal nicht. Ich öff nete mich und konzentrierte mich ganz auf ihn. Nachtauge war da, und ich nahm ihn ganz so wie er war an, mit seinem Fell und seinen Zähnen, mit Muskeln und Krallen. Ich spürte noch heftig den Schwertstich in meiner Schulter, wo die Klinge genau zwischen zwei großen Muskeln eingedrungen war. Er hielt die Pfote angewinkelt. Ich zögerte und empfand sofort seinen Schmerz über dieses Zögern. Deshalb warf ich alle Bedenken über Bord und griff nach ihm wie er nach mir.
Vertrauen ist kein Vertrauen, solange es nicht vollkommen ist. So nahe waren wir uns, dass ich nicht weiß, wer es dachte. Als Nachtauges Sinneseindrücke die mei nen überlagerten, nahm ich die Welt einen Augenblick lang auf zweierlei Art wahr: wie für ihn die Toten rochen; Geräusche, das Heranschleichen der aasfressenden Füchse, die sich zum Fest mahl sammelten; eintönig, aber scharf um rissen, die Welt in der Abenddämmerung. Dann war es vo rüber, und ich hatte Teil an sei nen Sinnen und er an mei nen. Wir wa ren verbunden.
    Kälte zog über das Land und kroch auch in mei ne Kno chen. Wir fanden meinen Umhang, übersät mit gefrorenen Schneeklumpen, aber ich schüttelte ihn aus und warf ihn mir über die Schultern, wobei ich darauf achtete, dass er nicht die Bisswunde an meinem Hals berührte. Ich zog auch die Fäustlinge an, trotz der Verletzung an meinem Unterarm. »Wir müssen uns auf den Weg machen«, sagte ich. »Zu Hause kümmere ich mich um unsere Blessuren, doch erst müssen wir ins Warme kommen.«
    Ich fühlte seine Zustimmung. Unterwegs hielt er sich neben und nicht - wie vorher - hinter mir. Einmal hob er den Kopf, um im Wind Witterung aufzunehmen. Doch es war nur kalt und voller Schnee. Seine Nase vermittelte mir die Gewissheit, dass keine neue Gefahr von Ent fremdeten drohte. Die Luft war rein, bis auf den Gestank der Toten hinter uns, der sich mit der scharfen Ausdünstung der Füchse vermischte.
    Du hast dich geirrt, meinte er. Allein ist keiner von uns ein guter Jäger. Daraus klang ein hinterlistiger Ton der Belustigung. Außer du glaubst, du hättest vorhin meiner Hilfe nicht bedurft.
    »Ein Wolf ist nicht dazu bestimmt, allein zu jagen«, antwortete ich, bemüht, einen Rest Würde zu wahren.
    Er ließ die Zunge aus dem Maul heraushängen. Keine Angst, kleiner Bruder. Ich werde bei dir sein.

    Nebeneinander gingen wir weiter durch den knirschenden weißen Schnee und die wie mit schwarzer Tusche gezeichneten Schatten der Bäume. Nicht mehr weit bis nach Hause, ermunterte er mich. Ich fühlte die Kraft seiner Ermutigung, als wir müde und humpelnd das letzte Stück Wegs in Angriff nahmen.
     
    Es war beinahe Mittag, als ich mich vor der Tür von Ve ritas’ Kartenzimmer befand. Mein Unterarm war kunstgerecht verbunden und von einem weiten Ärmel getarnt. Die Wunde an sich war nicht schwer, aber schmerzhaft. Der Biss an der Stelle zwischen Schulter und Hals war jedoch nicht so leicht zu verbergen. Als ich die Wunde nach un serer Heimkehr in ei nem Spiegel betrachtete, wäre mir beinahe übel geworden. Mit fehlte ein ganzes Stück Fleisch, und hätte Nachtauge nicht eingegriffen, wäre diesem ersten Bissen noch

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