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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Constance. Viele schöne Stunden habe ich dort in ihrer Gesellschaft verbracht. Ich will gerne dabei helfen, ihn wiedererstehen zu lassen.«
    Es herrschte einen Augenblick lang Unschlüssigkeit, doch dann folgten die übrigen Frauen ihrem Beispiel. Als ich mit mei nem eigenen Umhang zurückkam, waren sie alle zum Aufbruch bereit. Es war ein ziem lich seltsames Gefühl, diese Prozession holder Weiblichkeit durch die Burg zu füh ren und dann die lange Treppe zum Garten der Königin hinaufzugeleiten. Eingerechnet die Pagen und die Neugierigen waren es rund zwanzig Leute, die Kettricken und mir folgten. Auf den stei len Stufen ging Kettricken unmittelbar hinter mir, die anderen kamen in dem engen Schacht in einer langen Schlange hinterher. Als ich mich gegen die massive Tür stemmte, um sie gegen den Widerstand der Schneewehen draußen aufzudrücken, fragte Kettricken leise: »Er hat mir vergeben, nicht wahr?«
    Ich hielt inne, um Atem zu schöpfen. Mich hier mit der Tür abzuplagen tat der Wunde an meinem Hals gar nicht gut. Mein Unterarm
pochte dumpf. »Hoheit?«, antwortete ich zerstreut mit einer Gegenfrage.
    »Mein Gebieter hat mir vergeben. Und dies ist sei ne Art, es mir zu zeigen. Oh, ich werde einen Garten für uns beide schaffen. Ich werde ihm niemals wieder Schande machen.« Während ich auf ihr verzücktes Lächeln starrte, lehnte sie die Schulter gegen die Tür und schob sie auf. Ich trat nur einen Schritt hinaus und blieb stehen, geblendet von dem hellen Licht und der frostigen Kälte des Wintertags, doch nichts konnte sie abhalten, sofort einen Rundgang durch ihr neu es Reich zu unternehmen. Ich schaute mich um und fragte mich, ob ich den Verstand verloren hatte; nichts gab es hier, nur ein von frostigen Steinen ein gefasstes kahles Rondell unter einem bleigrauen Himmel. Der Wind hatte den Schnee über die an ei ner Brüstung aufgestapelten Skulpturen und Kübel geweht. Ich machte mich schon auf Kettrickens Enttäuschung gefasst, doch inmitten des Schneetreibens auf der Dachterrasse streckte sie die Arme aus und drehte sich wie ein Kind lachend im Kreis. »Es ist wunderschön!«, rief sie aus.
    Ich trat einige Schritte weiter vor, weil hinter mir die anderen aus der Tür kamen. Kettricken war schon bei dem formlosen Schneehügel angelangt, der über den achtlos aufgestapelten Statuen, Vasen und Blumentrögen lag. Einer eingeschneiten Engelsgestalt streifte sie so behutsam den Schnee von der Wange, als wäre sie die Mutter des Cherubs. Dann wischte sie eine Steinbank frei, hob ihn hoch und stellte ihn da rauf nieder. Er hatte ein beträchtliches Gewicht, doch Kettricken setzte entschlossen ihre Größe und Kraft ein, während sie noch weitere Stücke aus dem Stapel hervorzog. Jedes begrüßte sie mit Staunen und Jubel und bestand darauf, dass ihre Frauen kommen sollten, um die Funde zu bewundern.
    Ich hielt mich etwas abseits. Der scharfe Wind, der in Böen über die Terrasse fegte, weckte nicht nur den Schmerz meiner
Wunden, sondern auch böse Erinnerungen. Hier hatte ich einmal fast nackt in der Kälte gestanden, während Galen versuchte, mir die Gabe einzuhämmern. Hier hatte ich gestanden, genau an diesem Fleck, wäh rend er mich prügelte wie ei nen Hund. Und hier war es gewesen, wo ich mit ihm gerungen hatte und er in mir all das vernichtete, was ich vielleicht einmal an Gabenpotential besessen hatte. Dies war kein guter Ort für mich. Ich bezweifelte, dass ihn irgendein Garten - und sei er noch so idyllisch - mir jemals verschönern konnte. Dann zog der nied rigere Teil der Brüstungsmauer mei nen Blick an, aber ich ging nicht hin, um auf die felsigen Klippen in schwindelnder Tiefe hinunterzuschauen. Der schnelle Tod, den ich damals vor Schmerz und Verzweiflung als den einzigen Ausweg gehalten hatte, würde nie wieder eine Versuchung für mich sein. Ich verbannte Galens alte Verwünschungen aus meinen Gedanken und richtete mei ne Auf merksamkeit wieder auf die Königin.
    Die weiße Kulisse aus Schnee und Stein brachte ihre klare, pastellfarbene Schönheit zum Leuchten. Es gib eine Blume, die manchmal schon blüht, bevor noch das Frühlingstauwetter die Erde erlöst hat. Es ist das Schneeglöckchen, und daran erinnerte sie mich. Ihr flächsernes Haar war plötzlich golden, ihre Lippen rot, ihre Wangen rosig wie die Königin der Blumen, die hier bald wieder blühen würde. Mit Augen, die so blau waren wie Saphire, betrachtete sie ihre Schätze. Im Gegensatz zu ihr hatten die Hofdamen alle dunkle Haare

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