Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
aufstanden, um zu gehen. Sie wünschten mir einen guten Abend, und während sie aus der Tür gingen, waren sie immer noch in ihr Gespräch vertieft.
    Ich blieb nicht etwa allein in der Wachstube zurück. Um mich herum wurde weiter gegessen, getrunken und geredet. Das Stimmengewirr, das Klappern der Löffel in den Schüsseln, der dump fe Aufschlag, als jemand einen Keil vom Käserad schnitt, all das war wie Musik. Es roch nach Essen und Menschen, nach dem Holzfeuer, verschüttetem Ale und dem brodelnden Eintopf. Ich hätte mich zufrieden fühlen müssen, nicht ruhelos. Auch nicht niedergeschlagen. Oder einsam.
    Bruder?
    Ich komme. Warte auf mich am alten Schweinekoben.
    Nachtauge schien weit von der Burg entfernt gejagt zu haben. Ich traf zuerst am verabredeten Platz ein, stand in der Dunkelheit und wartete auf ihn. In meinem Beutel hatte ich einen Topf Salbe, zu meinen Füßen lag ein Sack voller Knochen. Der Schnee wirbelte um mich herum und erschien mir wie ein endloser Tanz von Winterfunken. Meine Blicke bohrten sich in das Dunkel der Nacht. Ich spürte ihn und seine Nähe, dennoch gelang es ihm, überraschend hervorzuspringen und mich zu überrumpeln. Dabei war er recht gnädig mit mir und be ließ es bei ei nem Zwicken und Schütteln meines unverletzten Handgelenks. Im In nern der Kate zündete ich eine Kerze an und untersuchte seine Schulter. Trotz meiner Müdigkeit am Abend zuvor und meiner eigenen Schmerzen hatte ich gute Arbeit geleistet, wie ich mit Befriedigung feststellte.
Um die Verletzung herum hatte ich das Fell bis auf die Haut abgeschoren und den Einstich mit Schnee gesäubert. Es hatte sich eine dicke, dunkle Schorfkruste gebildet. Ich konnte sehen, dass die Wunde heute wieder geblutet hatte, aber nicht viel. Zur Sicherheit trug ich eine großzügige Schicht von meiner Salbe auf. Nachtauge zuckte einige Male, doch er ließ meine Behandlung geduldig über sich ergehen. Anschließend wandte er den Kopf und beschnüffelte die Stelle.
    Gänseschmalz, bemerkte er und begann daran zu lecken. Ich ließ ihn gewähren. Die Salbe konnte ihm nicht schaden, und seine Zunge arbeitete sie weit tiefer in die Wunde ein, als meine Finger es je vermochten.
    Hungrig?, fragte ich.
    Nicht sehr. An der alten Mauer gibt es massenweise Mäuse. Dann, als er witterte, was ich mitgebracht hatte: Aber etwas Wild oder Rind wäre nicht schlecht.
    Ich leerte den Sack auf den Boden aus. Er traf geschmäcklerisch seine Auswahl und machte sich schließlich daran, einen fleischigen Gelenkknorpel zu zerkauen. Jagen wir bald? Er spielte dabei für mich einen Entfremdeten nach.
    In ein oder zwei Tagen. Das nächste Mal möchte ich mich mit einem Schwert zur Wehr setzen können.
    Das glaube ich dir gerne. Kuhzähne sind keine gute Wafe. Aber warte nicht zu lange.
    Wieso?
    Weil ich heute welche gesehen habe. Besinnungslose. Sie hatten am Ufer eines Wassers einen verendeten Bock gefunden und aßen davon. Fauliges, stinkendes Fleisch, aber sie aßen davon. Lange wird es nicht dauern, und dann setzen sie ihre Wanderung fort.
    Dann jagen wir morgen. Zeig mir, wo du sie gesehen hast. Ich schloss die Augen und ersinnte in seinen Gedanken das Stück
Bachufer, das er meinte. So weit bist du gelaufen? Mit einer verletzten Schulter?
    So weit war es nicht. Er prahlte. Und ich wusste, wir würden nach ihnen suchen. Allein komme ich viel schneller voran. Leichter für mich, sie erst zu finden und dich dann zu ihnen zu führen, für die Jagd.
    Man kann es nicht Jagd nennen, Nachtauge.
    Nein. Aber es ist etwas, das wir für unser Rudel tun.
    Eine Weile leistete ich ihm schweigend Gesellschaft und sah zu, wie er an den mitgebrachten Knochen nagte. Er war merklich gewachsen. Bei gutem Futter und aus der Enge des Käfigs befreit, hatte er Gewicht und Muskeln angesetzt. Die Schneeflocken blieben auf sei nem grauen, mit di ckeren schwarzen Deckhaaren durchsetzten Fell liegen, ohne zu schmelzen, so dass kei ne Feuchtigkeit an seine Haut drang. Er hatte zudem einen gesunden Geruch und roch nicht etwa nach den ranzigen Ausdünstungen eines überfütterten Hundes, der drinnen ge halten wird und kei nen Auslauf hat. Du hast mir gestern das Leben gerettet.
    Du hast mich vor dem Tod in einem Käfig bewahrt.
    Ich glaube, ich war so lange allein, dass ich vergessen hatte, was es bedeutet, einen Freund zu haben.
    Er unterbrach seine Mahlzeit und sah genauso gutmütig wie belustigt zu mir auf. Einen Freund? Ein zu kleines Wort dafür, Bruder. Und in die falsche

Weitere Kostenlose Bücher