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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Geweihinsel vor uns auf. An seiner Spitze leuchtete das brennende Signalfeuer wie ein verwaschener gelber Fleck in den Nebel. Hier tra fen wir auf die Korsaren. Es wa ren dunkle, muskulöse Männer, eher drahtig als massiv, bärtig, und das Haar hing ihnen schwarz und wild auf die Schultern herab. Sie trugen Rüstungen aus geflochtenem Leder, und an Waffen hatten sie große Schwerter und Äxte. Manche trugen Helme. Ihre bloßen Arme waren mit roten Spiralen bemalt oder tätowiert. Sie schienen nicht an ihrem leichten Sieg zu zweifeln, lachten laut und brüllten untereinander daher wie Handwerker, die eine Arbeit zu Ende brachten. So schenkten sie uns zunächst auch keine weitere Beachtung, als wir den Hang hinaufgestürmt kamen. Dass hinter ihnen ein Feind auftauchen könnte, damit rechneten sie nicht.
    Die Besatzung des Turms befand sich in einer aussichtslosen Lage, das Bauwerk hatte man als Basis für ein Signalfeuer angelegt und nicht als eine Festungsanlage. Es war abzusehen, wann der Letzte von ihnen sein Leben aushauchen würde. Ein Torflügel hing schief in den Angeln, die Verteidiger hatten sich hinter einem Wall toter Leiber verschanzt. Als wir uns näherten, sandten sie den Korsaren einen spärlichen Regen aus Pfeilen entgegen. Keiner traf.
    In dem Schrei, den ich ausstieß, mischten sich Todesangst und überschwänglicher Rachedurst. Die Ge fühle derer, die links und rechts neben mir liefen, fanden ein Ventil in mir und spornten mich an. Jetzt erst wurden die Angreifer auf uns aufmerksam und drehten sich um.
    Wir hatten die Korsaren in der Zange. Wir von der Rurisk waren ihnen zahlenmäßig überlegen, und als dann auch die Verteidiger
des Turms uns erkannten, versuchten sie von neuem Mut erfüllt einen beherzten Ausfall. Nicht den ersten - die vor dem Tor verstreuten Leichen sprachen eine deut liche Sprache. Der junge Wachposten lag im mer noch da, wo ich ihn in mei ner Vision hatte hinfallen sehen. Blut war aus seinem Mund gelaufen und in seinem bestickten Hemd versickert. Ein von hinten geworfener Dolch hatte ihn durchbohrt. Seltsam, wie deutlich sich mir dieses Bild in dem kurzen Augenblick einprägte, bevor die Wogen des Kampfes über mir zusammenschlugen.
    Es gab in dieser erbarmungslosen Schlacht keine Strategie, keine Angriffsordnung und keinen Plan. Nur eine Gruppe von Männern und Frauen, denen sich plötzlich die Gelegenheit bot, Vergeltung zu üben. Mehr brauchte es nicht.
    Wenn ich vorher geglaubt hatte, eins mit meinen Gefährten zu sein, ging ich jetzt in ihnen auf. Wilde Gefühle umbrandeten mich und drängten mich weiter nach vorn. Ich werde nie wissen, wie viele oder welche Gefühle davon meine eigenen waren, denn sie überwältigten mich, und FitzChivalric ging völlig darin unter. Ich wurde zum Brennpunkt all der Gewalt. Mit erhobener Axt und brüllend lief ich den anderen voraus. Mich hatte es nicht da nach gelüstet, die Führung zu übernehmen, es war das starke Verlangen der Mannschaft nach einem, dem sie folgen konnten. Plötzlich wollte ich so vie le Korsaren töten, wie ich nur konnte, und so schnell ich konnte. Ich wollte in jedem Hieb die Kraft meiner Schultern spüren, ich wollte mich durch die Geisterschar entfremdeter Seelen stürzen und auf die Leiber gefallener Korsaren treten. Und ich tat es.
    Ich hatte Sagen von Berserkern gehört. Ich hatte sie mir als viehische Totschläger vorgestellt, die von dumpfem Blutdurst beherrscht waren und die sich völlig unberührt zeigten von der Verwüstung, die sie anrichteten. Aber vielleicht waren sie stattdessen
auch nur völlig überreizt und bis in die Raserei hinein unfähig, noch auf andere Gefühle oder die Schmerzsignale ihres eigenen Körpers zu achten. Ich vermag es nicht zu sagen.
    Ich habe später Geschichten über mich an je nem Tag ge hört. Sogar ein Lied wurde darüber verfasst. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich während dem Kampf gebrüllt und Schaum vor dem Mund gehabt hätte, doch es könnte dennoch so gewesen sein. Irgendwo in mir wa ren währenddessen Veritas und Nachtauge, doch auch sie versanken im Rausch des Gemetzels. Ich weiß, ich tötete den ersten Korsaren, der von uns überrannt wurde; ich weiß auch, ich erschlug den letzten Mann, der noch aufrecht stand, in einem Zweikampf Axt gegen Axt. Das Lied sagt, er wäre der Kapitän des roten Schiffes gewesen. Es könnte stim men. Seine Brigantine aus Leder war gut gearbeitet und rot vom Blut anderer Männer. Sonst kann ich mich an nichts erinnern, was ihn

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