Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
betrifft, außer daran, wie meine Axt ihm den Helm in den Schädel trieb und wie das Blut unter dem Metall hervorgeschossen kam, als er in die Knie brach.
Damit war der Kampf zu Ende, die Verteidiger kamen herbeigeeilt, um ihre Retter zu umarmen, um den Sieg hinauszuschreien und sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Der plötzliche Umschwung war zu viel für mich. Ich stützte mich auf mei ne Axt, rang nach Atem und hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Die berserkerhafte Raserei war so schlagartig von mir gewichen wie der Carris-Rausch von einem Süchtigen. Ich fühlte mich ausgelaugt und verwirrt, als wäre ich aus ei nem Traum erwacht und gleich in den nächsten geraten. Meine Erschöpfung war so übermächtig, dass ich mich zwischen die Toten hätte legen und schlafen können. Nonge, einer der Outislander in der Mannschaft, brachte mir Wasser und führte mich zu einer Stelle, wo ich mich hinsetzen konnte, um es zu trinken. Dann kehrte er auf das blutige Schlachtfeld zurück, um sich am Plündern zu beteiligen. Als er
etwas später noch ein mal wiederkam, hielt er mir ein blutiges Medaillon hin. Ein Halbmond aus gehämmertem Gold, der an ei ner silbernen Kette hing. Als ich nicht die Hand danach ausstreckte, um es zu nehmen, hängte er es über den wie von schwarz-roter Farbe ummantelten Kopf mei ner Axt. »Es hat Ha rik gehört«, erklärte er und musste in der fremden Sprache nach Worten suchen. »Du hast gut gegen ihn gekämpft. Er ist gut gestorben. Er wäre damit einverstanden, dass du es be kommst. Er war ein guter Mann, bevor die Korriks sein Herz ge raubt haben.« Ich fragte nicht, welcher von ihnen Harik gewesen war. Ich wollte nicht, dass auch nur einer von ihnen einen Namen hatte.
Nach einer Weile hatte ich mich etwas erholt. Ich half, die Leichen vom Tor wegzutragen und dann vom Schlachtfeld. Für die Korsaren errichteten wir einen Scheiterhaufen, die Unsrigen wurden Seite an Seite hingelegt und zugedeckt, falls ihre Angehörigen sie heimholen wollten. Makaber, was mir von diesem langen Nachmittag im Gedächtnis geblieben ist. Wie die Fersen eines Toten doppelte Schlangenlinien hinterlassen, wenn man ihn durch den Sand zieht. Dass der junge Wachposten mit dem Dolch im Rücken noch gar nicht ganz tot war, als wir ihn aufheben wollten. Doch waren ihm nur noch wenige Atemzüge beschieden, so dass uns nichts anderes übrigblieb, als der Rei he von Aufgebahrten, die uns schon viel zu lang erschien, einen weiteren Toten hinzuzufügen.
Wir ließen unseren Kampftrupp bei der dezimierten Turmbesatzung zurück, bis eine neue Mann schaft dorthin geschickt werden konnte. Dann begutachteten wir das Schiff, das uns in die Hände gefallen war. Veritas wird erfreut sein, dachte ich bei mir. Ein zusätzliches Schiff. Ein gutes Schiff. Ich wusste um die Bedeutung des Sieges, den wir er rungen hatten, und um den Wert der Beute, doch ich empfand nichts, weder Befriedigung noch Triumph.
Wir kehrten zur Rurisk zurück, wo ein bleicher Justin uns erwartete. In benommenem Schweigen setzten wir uns an die Ruder und nahmen Kurs zurück auf Bocksburg.
Wir hatten annähernd die halbe Strecke zurückgelegt, als uns andere Boote entgegenkamen. Eine hastig zusammengestellte Flottille von Fisch kuttern, die vollbeladen mit Soldaten war, rief uns an. Der Kronprinz hatte sie geschickt, nachdem Justin mittels der Gabe dringend danach verlangt hatte. Sie schienen fast enttäuscht zu sein, dass der Kampf vorüber war, doch unser Kapitän versicherte ihnen, sie wären im Turm will kommen. Bei dieser Gelegenheit erst kam mir zu Bewusstsein, dass ich Ve ritas nicht mehr spüren konnte. Schon seit einiger Zeit nicht mehr. So fort tastete ich nach Nachtauge. Er war da, aber in wei ter Ferne. Er wirkte erschöpft und eingeschüchtert. Niemals habe ich so viel Blut gerochen, ließ er mich wissen. Wie Recht er hatte. Ich stank noch immer danach.
Veritas war nicht untätig gewesen. Wir hatten kaum angelegt und waren an Land gegangen, als eine neue Besatzung an Bord kam, um mit der Rurisk Ersatz für die gefallenen Turmwachen sowie eine zweite Rudermannschaft zur Geweihinsel zu bringen. Veritas’ Prise würde am heutigen Abend an seiner Pier festmachen. Ein offenes Boot folgte ihnen, um unsere Toten nach Hause zu holen.
Der Kapitän, der Maat und Justin bestiegen bereitgehaltene Pferde, um gleich zur Burg hinaufzureiten und Veritas Bericht zu erstatten. Ich empfand dankbare Erleichterung, dass man mir dies nicht ebenfalls
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