Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
su chen und sie um die Hilfe zu bitten, die sie uns einst versprochen haben.«
Edels Augen wurden eulenhaft rund. Schwer zu sagen, ob er nicht an die Uralten glauben konnte oder an das Glück, das ihm da unerwartet zuteilwurde. Er leckte sich mit sei ner Zunge über die Lippen.
»Ich habe dazu selbstverständlich nicht meine Zustimmung gegeben.« Listenreich beobachtete Edel scharf.
»Aber warum?«, fragte Edel. »Müssen wir nicht alle Mög lichkeiten in Betracht ziehen?«
»Die Ausgaben übersteigen unsere Mittel. Hast du mir nicht erst heute Morgen berichtet, dass der Bau der Kriegsschiffe, ihre Bemannung und ihre Aus rüstung fast unsere gesamten Finanzreserven aufgezehrt hätte?«
Edels Lider zuckten. »Aber inzwischen habe ich die rest lichen Ernteberichte durchgesehen, Herr Vater. Ich ahnte nicht, dass sie so gut aus fallen würden. Wir könnten eine gewisse Summe aufbringen, vorausgesetzt, dass mein lieber Bruder bereit ist, auf überflüssigen Aufwand zu verzichten.«
Veritas stieß seinen Atem durch die Nase. »Ich danke dir für deine Unterstützung, Bruder. Mir war nicht klar, dass sol che Entscheidungen in dein Ressort fallen.«
»Ich bin nur bemüht, unseren Vater, den König, nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten, genau wie du«, beeilte Edel sich zu versichern.
»Du bist nicht der Ansicht, einen Gesandten zu schi cken, wäre sinnvoller?«, forschte Listenreich. »Was wird das Volk von sei nem Kronprinzen denken, wenn er in Zeiten wie diesen die Burg verlässt, und dann auch noch aus solch einem Grund?«
»Einen Abgesandten?« Edel gab sich den Anschein der Nachdenklichkeit. »Ich halte das nicht für ratsam. Nicht in Anbetracht dessen, was wir von ihnen erbitten wollen. Berichten die Sagen nicht, dass König Weise persönlich zu ihnen ging? Was wissen wir von diesen Uralten? Können wir es wagen, das Risiko einzugehen und sie zu beleidigen, indem wir nur einen Vasallen beauftragen, mit ihnen zu verhandeln? Ich bin der Ansicht, wir sind es unseren möglichen Verbündeten schuldig, dass wenigstens der Sohn des Königs sich zu ihnen auf den Weg macht. Und dass er Bocksburg verlässt - nun, Ihr seid der König, und Ihr bleibt hier. Wie auch seine Gemahlin …«
»Meine Königin«, grollte Veritas, aber Edel beachtete den Einwurf nicht weiter.
»… und dann auch noch ich selbst. Die Burg wäre also keineswegs verlassen. Und die Absicht? Sie könnte die Phantasie der Leute fesseln. Oder, wenn Euch das lieber ist, könnte man den Zweck seiner Reise auch ge heim halten. Ein Besuch bei unseren Verbündeten im Berg reich - das wäre ein glaubhafter Vorwand, besonders wenn sei ne Gemahlin sich entschließen könnte, ihn zu begleiten.«
»Meine Königin bleibt hier.« Veritas legte eine besondere Betonung
auf ihren Titel. »Als meine Stellvertreterin. Und um meine Interessen zu vertreten.«
»Traust du deinem Vater nicht zu, das zu tun?«, erkundigte Edel sich dreist.
Veritas enthielt sich ei ner Antwort und richtete den Blick auf den alten Mann in sei nem Lehnstuhl am Feuer. Kann ich dir trauen, fragten seine Augen. Doch Listenreich, getreu seinem Namen, antwortete offen mit einer Gegenfrage.
»Du hast Prinz Edels und mei ne eigene Meinung zu dei nem Plan gehört. Was du denkst, weißt du selbst am besten. In Anbetracht all dessen, wie lautet deine Entscheidung?«
Im Stillen segnete ich Veritas, denn nun wandte er sich zur Seite und schaute dabei nur Kettricken an. Kein Kopfnicken, kein geflüstertes Wort wurde zwischen ihnen getauscht, und doch wa ren sie sich einig, als er wieder seinen Vater anschaute. »Ich werde in die Regenwildnis jenseits des Bergreichs gehen. Und ich breche so bald wie möglich auf.«
Als König Listenreich langsam nickte, sank mir der Mut. Nur der Narr schien überglücklich zu sein, sprang quer durchs Zimmer und wieder zurück und stand so schnell wieder hinter des Königs Stuhl, als hätte er sich nicht von der Stelle gerührt. Seine Kapriolen schienen Edel aus der Ruhe zu bringen, doch als Veritas niederkniete, um des Königs Hand zu küssen, erschien auf dem Gesicht seines jüngeren Bruders ein Ausdruck, das doch sehr einem breiten Haifischlächeln ähnelte.
Es gab nicht viel mehr zu besprechen. Veritas äußerte den Wunsch, in sieben Tagen aufzubrechen, und Listenreich war damit einverstanden. Er bestand darauf, sein Gefolge selbst auszusuchen, und auch da mit war Listenreich einverstanden, wenn auch Edel dazu eine bedenkliche Miene aufsetzte. Als der
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