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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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heimnisse an sich waren nichts Neues, denn der alte Assassine steckte bis zum Kragen voller Geheimnisse. Nur wurde ich den Eindruck nicht los, dass seine Verschwiegenheit diesmal mit mir zu tun hatte. Ich konnte ihn nicht danach fragen, dafür bemühte ich mich, ihn genau zu beobachten
und dadurch etwas herauszufinden. Sein Arbeitstisch zeugte von seiner regen Aktivität, doch abgesehen von neuen Säureflecken, Brandspuren und Schrammen bekam ich nichts davon zu sehen. Bevor er mich jeweils zu sich rief, schien er genau darauf bedacht zu sein, vorher mustergültig Ordnung zu schaffen. Das war seltsam. Jahrelang hatte ich selbst in seiner Giftküche saubergemacht, und dass er jetzt eigenhändig aufräumte, war entweder ein stummer Vorwurf an mei ne Adresse, oder er wollte vor mir ge heim halten, woran er arbeitete.
    Zwar erhielt ich keinen Aufschluss darüber, worum es sich bei seinem Geheimnis handeln könnte, dafür sah ich vieles, was mir zuvor entgangen war. Chade wurde alt. Kälte hatte er nie gut vertragen, doch inzwischen vermochten auch gemütliche Abende am warmen Kaminfeuer nicht mehr die Steifheit aus seinen Gelenken zu vertreiben. Er war Listenreichs älterer Halbbruder, ein Bastard wie ich, und trotz seiner Gebrechen wirkte er immer noch wie der Jüngere der beiden. Doch mir fiel auf, dass er beim Lesen die Schriftstücke mit ausgestrecktem Arm von sich weghielt und es vermied, nach etwas zu greifen, das sich über seinem Kopf befand. Diese Veränderungen an ihm zu be merken, das war nicht we niger schmerzlich, als zu wissen, dass er ein Geheimnis vor mir verbarg.
    Dreiundzwanzig Tage nach Veritas’ Ausbruch kam ich vormittags von einer Jagd mit Nachtauge zurück und fand die Burg in Aufruhr. Die Atmosphäre erinnerte an ein aufgestörtes Ameisennest, doch ohne die dort herrschende Zielstrebigkeit. Ich ging auf kürzestem Weg zu Sa rah, der Köchin, und fragte sie, was geschehen war. Die Küche einer jeden Burg ist im wahrsten Sinn des Wortes auch eine ›Gerüchteküche‹, übertroffen höchstens noch von der Wasch küche. Auf Bocksburg war auf das, was in den Küchen gemunkelt wurde, im Großen und Ganzen mehr als Verlass.
    »Ein junger Reiterbote ist gekommen, der auf einem halb toten
Gaul saß. Holüber soll angegriffen worden sein. Fast der ganze Ort wurde niedergebrannt. Siebzig Entfremdete, wie viel Tote weiß man noch nicht. Auf jeden Fall werden ohne ein Dach über dem Kopf und in dieser Kälte noch mehr sterben. Drei Korsarenschiffe waren an dem Angriff beteiligt, sagte der Junge. Er wurde sofort zu Prinz Edel gebracht, um Bericht zu erstatten. Der Prinz hat ihn dann hergeschickt, damit er etwas zu essen bekommt; er ist jetzt in der Wachstube und schläft.« Sie senkte die Stimme: »Der Junge ist den ganzen Weg von Holüber auf der Küstenstraße hergeritten. Er hat sich in den Ortschaften unterwegs frische Pferde geben lassen, wollte aber nicht dulden, dass ein an derer die Schreckensmeldung überbringt. Er hat mir gesagt, die ganze Zeit hätte er damit gerechnet, dass ihm Hilfe entgegenkommt oder dass irgendjemand sagt, man wüsste Bescheid und Schiffe wären unterwegs. Aber nichts von alledem.«
    »Von Holüber? Dann ist es wenigstens fünf Tage her. Warum sind die Signalfeuer nicht entzündet worden?« Ich hatte ein ungutes Gefühl in der Magengrube. »Warum hat man nicht die Alarmvögel nach Skua und der Seehundbucht fliegen lassen? Die Constance kreuzt doch in den Gewässern, der Ausguck hätte eins der Feuer sehen müssen. Und ein Gabenkundiger, Will, sitzt im Roten Turm. Warum hat er sich nicht mit Serene in Verbindung gesetzt? Wie kommt es, dass kein Wort von dem Überfall bis hierher gedrungen ist, so dass wir keine Ahnung davon gehabt haben?«
    Sarah dämpfte ihre Stimme noch weiter und gab dem Teig, den sie knetete, ei nen bedeutungsvollen Klaps. »Der Junge sagt, die Feuer wurden angezündet, in Holüber und in Eisstadt. Er sagt, die Vögel sind nach Skua ge flogen. Doch das Schiff sei nicht ge kommen.«
    »Warum haben wir dann nichts erfahren?« Ich holte tief Atem
und beherrschte meinen ziellosen Zorn. Tief in mir spürte ich eine schwache Regung von Ve ritas. Doch es war zu schwach. Ausgerechnet jetzt, wenn ich mir wünschte, mich mit ihm beratschlagen zu können. »Nun, Fragen zu stellen hilft jetzt nicht. Was hat Edel getan? Der Rurisk befohlen, auszulaufen? Ich wünschte, ich wäre rechtzeitig hier gewesen, um mit hinauszufahren.«
    Sara schnaufte und würgte den Teig mit

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